Bullay, den 16.08.2023/igenos. Sozialismus und Genossenschaften. Es besteht immer noch die Vorstellung, dass Genossenschaften sozialistische Experimente seien. Oder noch schlimmer, ein Universalkonzept um unrentabel Arbeitsplätze zu subventionieren, wie zuletzt von der Partei die Partei DieLinke vorgeschlagen.

Was verbindet die Rechtsform der Genossenschaft mit der des Sozialismus? Obwohl der Begriff ‚Genosse‘ aus kosmetischen Gründen aus dem Genossenschaftsgesetz gestrichen und durch ‚Mitglied‘ ersetzt wurde, ist die Rechtsform der Genossenschaft zunächst einmal suspekt.  „Otto Normalverbraucher“ hat oft ein vorgefertigtes, begrenztes und von der Werbung geprägtes Halbwissen und interessiert sich in der Regel auch nicht für seine Bank- oder Wohnungsgenossenschaft.  Junge Menschen, die häufig am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen, sehen in der Genossenschaft eine alternative Form, selbstbestimmt zu wirtschaften, zu wohnen oder zu handeln. Die Genossenschaft hat gegenüber allen anderen Rechtsformen auch unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsproduktivität und der Work-Life-Balance einen klaren Systemvorteil. Der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht das Kapital. Deshalb sind Genossenschaften für die heutige „Enkelgeneration“ cool und hip, während die Eltern und Großeltern nur den Kopf schütteln. 

Ein wesentlicher Bestandteil der Rechtsform der Genossenschaft und der sozialistischen Ideologie ist die Idee des Gemeinschaftseigentums und des gemeinschaftlichen Wirtschaften. Hier wurde auch der Begriff der sozialistischen Umlagerung, sprich Diebstahl von Genossenschaftseigentum, geprägt. Allerdings ist die direkte Förderung der Mitglieder bei der Genossenschaft nach deutschem Recht gesetzlich zwar vorgeschrieben, aber nicht so gemeint. Im Sozialismus, in welcher Form auch immer, ist nicht das Individuum das Wichtigste, sondern die Gemeinschaft. (Hintergrundinformationen hier)
In Genossenschaften werden wichtige Entscheidungen von der Basis, also den Mitgliedern, getroffen. Selbst im Sozialismus sollte die Macht theoretisch vom Volk ausgehen.

Geschichtlich sind die Idee der Genossenschaft und des Sozialismus Kinder der industriellen Revolution. Das Ziel war, die Lebensbedingungen der verarmten Bevölkerung zu verbessern und einen Ausgleich zwischen knappem und teurem Kapital sowie massenhaft vorhandener billiger Arbeitskraft herzustellen.

Der Reichstagsabgeordnete Schulze Delitzsch, auch bekannt als „Vater aller Volksbanken“, hat das Genossenschaftsgesetz und die Sozialistengesetze mit eingeführt. Das Ziel war, das bestehende System zu stabilisieren. Der Sozialismus beabsichtigte grundlegende Veränderungen der politischen Machtverhältnisse sowie der Eigentums- und Lebensverhältnisse.

Bahro, ein Wissenschaftler aus der DDR, beschreibt den real existierenden Sozialismus hundert Jahre später. Grob gesagt unterscheidet Bahro zwischen dem sozialistischen Dogma „Einer für alle“ und der Realität, dass es darauf hinausläuft, dass „Alle für einen“ kämpfen oder die „Herrschaft des Menschen über den Menschen“. 

Das bedeutet, eine elitäre Klasse mit allen Privilegien zu fördern, während ein auf Selbsterhaltung ausgerichteter politischer Machtapparat alle alten sozialistischen Hoffnungen ins Lächerliche zieht.

Anstelle des freien Marktes wurde die Planwirtschaft eingeführt. Die Entscheidungen wurden von oben nach unten getroffen. Die Partei ging im Staat auf und dieser wurde schnell zum vermeintlich „bösen Kapitalisten“. Der Staat war mächtig, die Bürger hingegen ohnmächtig. Zu den wirksamen Methoden zählten die Vernetzung staatlicher Kontrollinstanzen und ihre Überwachung. Diese dienten hauptsächlich dazu, die Machtposition zu wahren. 

Heute treffen wir ähnliche Umstände in den großen Bank- und Wohnungsgenossenschaften an, die über 90% der Genossenschaftsmitglieder vereinen. Wie im real existierenden Sozialismus haben Mitglieder der Genossenschaft keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik ihrer Genossenschaft. Die Steuerung erfolgt nach dem Prinzip der Anweisung von oben nach unten durch die genossenschaftlichen Verbände, die durch Mustersatzungen den Genossenschaftsgedanken immer weiter aufweichen. Auch hier gilt, dass Menschen über andere Menschen herrschen.
In der genossenschaftlichen Praxis sind Demokratie und Mitbestimmung häufig nur hohle Phrasen. Entscheidungen des Vorstands werden nachträglich zur Genehmigung vorgelegt und in öffentlichen Abstimmungen per Handzeichen unter Gruppendruck genehmigt. Häufig wird solange abgestimmt bis das Ergebnis passt, wie das aktuelle Beispiel der Raiffeisenbank Neustadt-Vohenstrauß eG zeigt.

Gemeinschaftseigentum, Planwirtschaft, Raiffeisenbank Neustadt Vohenstrauß eG
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1 Kommentar.

  • Der Sozialismus ist für den Menschen geschaffen, aber der Mensch nicht für den Sozialismus.

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