Keynes liefert Theorie-Futter an Genossenschaftsbewegung

London/Bremen, 21. April 2021 (geno). Die westliche Volkswirtschaftslehre wird von zwei überragenden Lehrmeinungen geprägt. Es handelt sich um die auf Adam Smith zurückgehende liberale Wirtschaftstheorie der freien Märkte und dem nach John Maynard Keynes benannten Keynesianismus. Der genau vor genau 75 Jahren verstorbene britische Wissenschaftler John Maynard Keynes liefert der Genossenschaftsbewegung bis in die Gegenwart umfangreiches Theorie-Futter. Der Ökonom, der ein Vierteljahrhundert die Volkswirtschaftslehre und die Wirtschaftspolitik dominierte, hatte unter anderem, eine Rückkehr zu den mittelalterlichen Formen selbständiger Autonomien vorgeschlagen. Das tat er beispielsweise am 23. Juni im Jahr 1926 bei einem Vortrag an der Berliner Universität unter dem Titel „Das Ende des Laissez-Faire. Ideen zur Verbindung von Privat- und Gemeinwirtschaft“. Der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel vergleicht das Pläydoyer von Keynes mit der Genossenschaftsbewegung und ihrer Geschichte.

Der amerikanische Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaft Paul Krugman verdeutlicht Keynes‘ Auffassung am Beispiel der Capitol Hill Babysitter-Genossenschaft, die sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts etabliert hatte und an der sich etwa 150 Paare im Umfeld des USA-Kongresses beteiligten. Zu ihnen gehörten auch Joan und Richard Sweeney in den frühen 70er Jahren. Solche Kooperationen waren weit verbreitet.

Die Capitol Hill Genossenschaft gab Berechtigungsscheine aus. Ein derartiger Schein war ein Papierstück, das einer Stunde Babysitter-Zeit entsprach. Babysitter würden die entsprechende Anzahl von Coupons erhalten. Das System war selbsttragend und sollte für einen Ausgleich von Interessen sorgen: Ein Paar babysittet genauso häufig wie es davon profitiert. Allerdings zeigte sich ein kleines technisches Problem im Couponbesitzes eines Paares. Krugman beschreibt die Situation so: „Zu Zeiten, wenn es wenig Gelegenheit hatte auszugehen, würde ein Paar wahrscheinlich versuchen, eine Reserve zu bilden – um dann diese Reserve abzubauen, wenn sich die Gelegenheiten ergaben. Die Nachfragen würden sich ausgleichen. Ein Paar würde ausgehen, während ein anderes zu Hause bliebe. Aber da viele Paare zu jeder gegebenen Zeit Reserven von Coupons halten würden, benötigte die Genossenschaft einen ziemlich großen Betrag an im Umlauf befindlichen Berechtigungsscheinen“. Daran scheiterte letztendlich wohl diese bemerkenswerte Genossenschaft.

Laut igenos, wird ein vergleichbarer Leistungstausch heute von vielen Dorf- und Bürgergenossenschaften idealisiert. Leider kann es bei der Umsetzung in der genossenschaftlichen Alltagspraxis Schwierigkeiten mit dem Finanzamt geben. Insbesondere dann, wenn der Leistungsaustausch als Schwarzarbeit eingestuft wird. Auch eine Vergütung mit Naturalien ist nicht unproblematisch. Hier dreht es sich z.B. um die enthaltene Mehrwertsteuer. Es wäre für den Gesetzgeber an der Zeit zeitgemäße Steuergesetz zu schaffen, zumal die neuen Platform Cooperativen häufig mit digitalen, Blockchain basierten Verrechnungseinheiten arbeiten und das klassische Retail-Banking ablösen.

++ (bs/mgn/21.04.21 – 050)www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

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