Allmende als Illusion – Genossenschaften betreiben Selbstausbeutung

Berlin, 11. Mai 2020 (geno). „Linke Illusion: Allmende“. Unter diesem Titel steht ein ganzes Kapitel im jüngsten Buch der profilierten ostdeutschen Schriftstellerin und Publizistin Daniela Dahn „Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute“. Bei der Allmende handele sich nur um eine von verschiedenen Varianten des Privateigentums. Es sei zwar sympathischer und gemeinschaftlicher, wenn sich Genossenschaftler zusammentun oder Belegschaften aufgegebene Betriebe übernehmen, als dass ein einziger Boss das alleinige Sagen hat. Das Problem bestehe darin, – ob Weinbau-Kooperative oder Monopolkapitalist – sie alle unterlägen der brutalen Konkurrenz- und Marktlogik. Diese fordere, sich gegen andere zu behaupten oder unterzugehen. „Auch Genossenschaften betreiben Ausbeutung, nämlich Selbstausbeutung“, schlussfolgert Dahn. Der wohl prominenteste Theoretiker der Gemeinwohl-Ökonomie, der Österreicher Christian Felber, habe überzeugende Methoden erdacht, wie das große Privateigentum zu begrenzen ist und etwa über regionale Wirtschaftsparlamente mehr Mitbestimmung erreicht werden kann. In Felbers herzerwärmend engagiertem Konzept fehle zwar das Zauberwort „Allmende“ nicht. Er nenne es auch „öffentliches Gemeinschaftseigentum“ und schlittere ihres Erachtens nach in die nicht nur unter Linken übliche Begriffsverwirrung in Bezug auf das Eigentum und in einen folgenreichen Verzicht auf Eindeutigkeit. Sie wünscht, dass „doch alle Weltverbesserer die Beschäftigung mit Gesetzestexten etwas ernster nehmen, denn sie sind Chiffren der sich selbst legalisierenden Macht“. Ihr juristischer Verschleierungscode muss nach den Worten von Dahn geknackt werden, wenn politische Forderungen zielgenau sein sollen. Die Behauptung Felbers, öffentliches Eigentum verkörpere „ein Gemeinschaftsgut, das allen gehört“, sei ein Irrtum.

Dazu erläutert die Publizistin ausführlich: „Nun gibt es zweifellos vorbildliche Kommunen, die ihren Bürgern weit entgegenkommen und ein hohes Maß an Mitbestimmung gewähren. Felber nennt sie ‚moderne Allmenden‘, was für dieselbe linke Illusion steht. Im geltenden deutschen Recht existiert die Rechtsform Allmende nicht. Denn im Gegensatz zu den mittelalterlichen Weiden und Waldstückchen, die niemandem gehörten und daher von allen Dorfbewohnern genutzt werden konnten, gibt es in der eigentumsfundamentalistischen, westlichen Welt heute keinen Quadratmeter Grund und Boden mehr, der keinen Eigentümer hat. Sicher, Kommunen können Flächen oder Grundstücke zur allgemeinen oder kollektiven Nutzung freigeben. Aber die Nutzer sollten sich nicht einbilden, dass sie deshalb Eigentümer sind. Sie sind nur Besitzer, sie sitzen auf einer Sache, die von der Kommunalregierung privatrechtlich verwaltet wird.“ Als Musterbeispiel für Felbers „moderne Allmende“ erläutert Daniela Dahn den in der Welt erstmalig 1989 in der brasilianischen Stadt Porto Alegre installierten Bürgerhaushalt. ++ (al/mgn/11.05.20 – 171)

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