Dialog zum genossenschaftlichen Förderauftrag.

München den 29. Februar 2020. „Der Zweck einer Genossenschaft ist immer die Förderung der Mitglieder. Dabei steht die persönliche Förderung des Mitglieds im Vordergrund und nicht die Mehrung des Kapitals.“ So die GVB (Genossenschaftsverband Bayern e.V.) Internetseite im Jahr 2013. In einer aktuellen Stellungnahme aus 2020 sieht alles ganz anders aus: „Insbesondere sind die bankauf­sichtsrechtlichen Vorschriften zur Sicherung von Liquidität und Rentabilität der Bank sowie die Erfüllung die Eigenkapitalanforde­rungen zwingend, um den gemeinschaftlichen Bankbetrieb zu ermöglichen und damit den Förderauftrag zu erfüllen.“

Wir haben im aktuellen Genossenschaftskommentar Lang-Weid­müller nachgeschaut. Dort seht in der Randnote 44 zu § 1 GenG: „Insbesondere sind die Vorschriften zur Sicherung von Liquidität und Rentabilität der Bank nicht geeignet, den genossenschaftlichen Förderauftrag außer Kraft zu setzen. Wenn das Bankgeschäft in der Rechtsform der eG geführt wird, bleibt dieses Unternehmen an den Förderauftrag gebunden.“

Das Genossenschaftsgesetz (GenG) hat für alle Genossenschaftsarten und einzelne Genossenschaften in der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit, also auch für Bankgenossenschaften. Soll etwa die Stellungnahme aus Bayern über dem GenG stehen? Und maßt sich dieser Verband an, dem genossenschaftlichen Förderauftrag eine neue, zweitrangige Bedeutung zuweisen zu dürfen – und zwar zu Lasten der Mitglieder?

Die Frage, wie eine Genossenschaft funktioniert und welche Bedeutung der genossenschaftliche Förderauftrag hat, beschränkt sich nicht nur auf aktuell die noch verbliebenden 840 Genossenschaftsbanken. Auch die Genossenschaften aller übrigen Sparten der Genossenschaftsorganisation  haben ihre Mitglieder direkt zu fördern. 

Festzustellen ist: Deutschland könnte mit knapp 24 Millionen Genossenschaftsmitgliedern (inkl. Doppelmitgliedschaften) ein Land der Genossenschaften sein. Doch die Realität sieht mehr als traurig aus. Überzeugte Genossenschaftler sind eine aussterbende Gattung. Die Pro-forma-Mitgliedschaft in der Pro-forma-Genossen­schaft prägt den genossenschaftlichen Alltag.

Lediglich die Genossenschaftsverbände sind nicht pro forma. Sie sind allgegenwärtige Realität und geben den Takt vor. Ein Beispiel dafür ist die von oben verordnete Fusionspolitik und die damit verbundene Umlagerung von Genossenschaftsvermögen. Das genossenschaftliche Führerprinzip lebt. Wer nicht pariert, wird liquidiert. 

Die genossenschaftliche Selbstverwaltungsorganisation verfügt über einen beeindruckenden „Überbau“, der ein wenig an den real existierenden Sozialismus erinnert. Allerdings verkörperte der Sozialismus zumindest ein gewisses Klassenbewusstsein. Dagegen fehlt 99% der Genossenschaftsmitglieder in Deutschland jegliches genossenschaftliches Bewusstsein. 

Ein Beispiel über die vorherrschende „unendliche Dummheit und Ignoranz“ liefert die anhaltende Diskussion um den Berliner Mietendeckel, in die sich verbandstreue Genossenschaftsvorstände einmischen und den neoliberalen Trauergesang anstimmen. Selbst der zuständige BBU als zuständiger Genossenschaftsverband negiert den Unterschied zwischen Miete und Nutzungsgebühr. Leider wissen auch viele Politiker nicht, wovon sie reden. Ein Beispiel ist die anhaltende Diskussion darüber, ob Wohnungs­genossenschaften  am Gemeinwohl orientiert sind.

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2 Kommentare.

  • Kommentar vom 30.01.20. Eingang über Poststelle
    1. März 2020 14:24

    Vielen Dank für diesen Beitrag auf den mich Vorstandskollegen einer befreundeten Raiffeisenbank hingewiesen haben. Es wird Zeit, dass offene Worte gesprochen werden. Bitte befassen Sie doch auch einmal mit der
    „Förderbilanz“.

  • […] Die Mitglieder entscheiden was mit den Überschüssen der Genossenschaft zu geschehen hat. Die Eckpunkte legt das Genossenschaftsgesetz fest.Zulässig ist alles, was in der Satzung der Genossenschaft festgelegt wurde. Warum das so ist erklärt das genossenschaftliche Indentitätsprinzip. Der genossenschaftliche Förderauftrag bezieht sich nur auf die Mitglieder. Somit sind Mitglieder und Nichtmitglieder grundsätzlich ungleich zu behandeln. […]

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