„Irrtümer aufbrechen, Wege aufzeigen“ – Genossenschaften bestgeeignet für echte Energiewende

Berlin, 20. Juni 2018 (geno). Der Begriff „historisches Ereignis“ schwebte am Mittwoch nicht nur sphärisch über dem Pressegespräch auf der Baustelle der Berliner Wohnungsgenossenschaft Märkische Scholle, sondern wurde auch durchweg von den Akteuren des Termins mehrfach bewusst benutzt. Das waren der Genossenschaftsbeauftragte der bundesdeutschen Sozialdemokratie und gleichzeitig Klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Klaus Mindrup, Maren Kern, Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), Jochen Icken, Vorstand der Märkische Scholle eG, und Taco Holthuizen von der eZeit Ingenieure GmbH. Unter seiner Federführung ist eine Studie entstanden, die das Zeug hat, Deutschlands angebliche Energiewende tatsächlich zu einem wirklich umwälzenden Vorgang zu qualifizieren und die erst gestern auf dem 9. Petersberger Klimadialog eingestandene schwere Niederlage in Sachen Klimaschutz wettzumachen. Nach den Worten des Energieexperten und Architekten Holthuizen kommt es jetzt darauf an, die bei Sanierung und Neubau in den Wohnungsbeständen der Wohnungsgenossenschaft Märkische Scholle in Berlin-Lichterfelde gewonnenen und angewandten Erkenntnisse in möglichst breitem Maße zu publizieren und in der Praxis bundesweit zu multiplizieren. Dreh- und Angelpunkt der bisher in Deutschland verfolgten abwegigen Strategie ist, dass nicht die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen im Vordergrund aller Bestrebungen gestanden hat, sondern fälschlicherweise die eher fiktive Kennziffer des Primärenergiebedarfs einer Wohnung. BBU-Vorstand Kern formulierte es so: „Diese Fixierung auf einen theoretischen Wert ist das Korsett, das die Energiewende einengt und ihr buchstäblich die Luft zum Atmen nimmt“. Deshalb werde die Wohnungswirtschaft gezwungen, mit enormem Ressourcen- und Geldaufwand in wenig effektive Maßnahmen zu investieren. Folge dessen seien explodierende Baukosten. In Berlin habe dieser Anstieg seit 2010 rund 40 Prozent betragen. „Solche Steigerungen der Wohnkosten belasten vor allem untere Einkommensschichten besonders. Die Energiewende hat deshalb eine erhebliche soziale Unwucht, die jetzt dringend korrigiert werden muss“, so Kern.

Die Studie unter dem aufklärerischen Motto „Irrtümer aufbrechen, Wege aufzeigen“ identifiziert die bisher in Deutschland verfolgte Energie- und Klimaschutzpolitik eindeutig als Sackgasse. Das Steuer muss herumgerissen werden, indem das derzeit in Arbeit befindliche Gebäude-Energiegesetz grundlegend neu ausgerichtet wird. Nach Auffassung von Holthuizen müssen Ingenieure, Energetiker und Architekten mit dieser grundlegenden Analyse konfrontiert werden. Er selbst tue das in der Berliner Beuth-Hochschule. Allerdings gebe es gegenwärtig nur zehn Lehrstühle an deutschen Hochschulen und Universitäten, die diese naturwissenschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Zusammenhänge an den Nachwuchs der Bau- und Wohnungswirtschaft weitergeben. Das Ziel, langfristig einen klimaneutralen Gebäudebestand zu bekommen und die fossilen Energien völlig auszuschalten, lasse sich nur durch die möglichst vielfätige Kombination der regenerativen Energiequellen – Sonne, Wind, Erdwärme und eventuell Wasser – miteinander erreichen.

Klaus Mindrup machte deutlich, dass auch bei den Abgeordneten des Deutschen Bundestag dieser fundamentale Erkenntniswandel im Bewusstsein kaum oder gar nicht präsent ist. Deshalb wären derzeit die dringend notwendigen politischen Konsequenzen nicht mehrheitsfähig. Auf Anfrage der Redaktion GenoNachrichten nannte er auf dem Gebiet des Klimaschutzes die skandinavischen Länder – insbesondere Dänemark – als vorbildlich. Auch China ziehe still,  leise und unaufhaltsam die richtigen Schlussfolgerungen. Österreich und die Schweiz gehörten auch zu den Musterknaben, vor allem weil sie diesem Problem mit dem speziellen Charme genossenschaftlicher Lösungen zu Leibe rücken. Genossenschaften seien auch in Deutschland die natürlichen Pioniere bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz, eigneten sich von ihrer gesellschaftlichen Struktur her am besten für eine substantielle und wirkungsvolle Energiewende. Zu erwarten ist, dass sich die gerade im generellen Umbau befindliche „Gartenstadt Lichterfelde-Süd“ der Kooperative „Märkische Scholle“ am südwestlichen Stadtrand von Berlin, die von in den 30er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts errichteten Gebäuden geprägt ist, zum innovativen Mekka der Wohnungs- und Bauwirtschaft entwickelt. Es wäre eine Offenbarung des genossenschaftlichen Erfolgsgeheimnisses am Beispiel der Märkischen Scholle eG, die im nächsten Jahr ihr 100. Gründungsjubiläum begeht. Gründer und erste Genossenschaftsmitglieder waren Versehrte des Ersten Weltkrieges, die in dieser Wohnungsgenossenschaft ein Zuhause finden und ihrem Leben neuen Sinn geben wollten.  ++ (wg/mgn/20.06.18 – 120)

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