Fusion abgelehnt – Genossenschaftsbank soll Dorfcharakter behalten

Schaffhausen, 24. Juli 2018 (geno). 598 von 799 anwesenden Genossenschaftsmitgliedern der Raiffeisenbank Wängi-Matzingen haben kürzlich eine von den Leitungsgremien geplante Fusion abgelehnt. Über diese sehr selbstbewusste und demokratische Entscheidung berichtet die jüngste Ausgabe der schweizerischen Wochenzeitung „Zeit-Fragen“. Es komme sehr selten vor, dass die Raiffeisengenossenschafter ihren Verwaltungsräten die Gefolgschaft verweigern. Aber auf der diesjährigen Generalversammlung haben die Genossenschafter aus Wängi-Matzingen die Fusion mit der Raiffeisenbank Münchwilen-Tobel deutlich verworfen. Auf der fast vierstündigen Zusammenkunft hätten sich die Redner nicht von den wohlklingenden Ausführungen des Verwaltungsrates blenden lassen. „Die Votanten hielten diesen Versprechungen jedoch entgegen dass sie ihre Raiffeisenbank auch aufgrund der aktuellen Bilanz für wirtschaftlich gesund halten und dass sie sehr zufrieden sind mit der aktuellen Beratung. Sie erinnern daran, dass der wichtigste Zweck der Genossenschaft die ‚gemeinsame Selbsthilfe‘ sowie die ‚Verbreitung und Vertiefung des genossenschaftlichen Gedankenguts von Friedrich Wilhelm Raiffeisen‘ sei. Da stünde nichts von der Jagd nach Rekordgewinnen. ‚Bleiben wir also wie der Schuster bei seinem Leisten und behalten wir unsere Dorfbank in überschaubarer Größe‘„, beschreibt die Wochenzeitung den unerwarteten Diskussionstrend des Treffens.

In einer Verdopplung der Genossenschaftsmitgliederzahl auf dann 9.600 Genossenschafter wird mehrheitlich kein Vorteil gesehen. Das bedeute eher einen Abbau der Mitbestimmung als Mitbesitzer der Bank. Sie befürchten, mit einer weiteren Zentralisierung der Raiffeisenbank für die Geschäftsleitung zu einer unpersönlichen Nummer zu werden. Sie akzeptieren den Abbau der Mitbestimmungsmöglichkeit in einer Generalversammlung nicht, wenn diese nur noch zu einem „gesellschaftlichen Anlass“ mit einem feinen Essen degeneriert. Solche Größe und Zentralisierung sei nicht kompatibel mit den Auffassungen von Raiffeisen.

Die Bankleitung und der Verwaltungsratspräsident wurden von dem wuchtigen Nein der Genossenschafter deutlich überrascht. Anscheinend glaubten sie und ihre Berater von Raiffeisen Schweiz an die Weisheiten von Lehrbüchern zum Fusionsmanagement von Raiffeisenbanken. Dort wird die „Ausübung von Eigentümerrechten“ als unwichtigster „Menber-Value-Bestandteil“ für die Genossenschafter gesehen. Nach Auffassung solcher Manager sei den Genossenschaftern einzig die Inanspruchnahme von Leistungen wie kostenloser Museumseintritt, ein feines Abendessen und die Verzinsung ihrer Anteilscheine wichtig. 

Das krachende Negativ-Votum der Generalversammlung wurde auch dadurch begünstigt, dass in der perfekt ausgebauten Fusionsplanung zukünftig nicht ein bewährter und ethisch überzeugter Raiffeisengenosse die Präsidentschaft ausüben sollte, sondern ein den Genossenschaftern nicht bekannter Banker mit 20 Jahren Berufserfahrung bei der Geschäftsbank UBS. Die gescheiterte Fusion und das klare Bekenntnis zum wahren Gedankengut von Friedrich Wilhelm Raiffeisen in der Region zwischen Schaffhausen und St. Gallen hat die heute in der Welt der Genossenschaftsbanken Etablierten herb erschüttert. Dieses kleine, aber markante Beben dürfte auch über die Schweiz hinaus – beispielsweise in Deutschland – spürbare Wirkung zeitigen.  ++ (bk/mgn/24.07.18 – 144)

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