Vorweg drei Statements des ICA (International Cooperative Association), die einer internationalen Online Conference diskutiert wurden und uns Hoffnung machen! Es ging bei der ICA Veranstaltung am Internationalen Tag der Genossenschaft 2023 um die Umsetzung der UN Nachhaltigkeitsziele. “ Put the people and the planet before Profit. Cooperatives just build a better World. Another World is possible!“
Bei uns sieht es ein wenig anders aus. Es fällt schwer sich und andere für die Genossenschaftsidee zu begeistern. Wir Genossenschaftsmitglieder werden in Deutschland historisch bedingt mit einem zentral gesteuerten Verwaltungsapparat konfrontiert, der mittels Lobbyarbeit überwiegend seine eigene wirtschaftlichen Interessen vertritt. Da vor diesem Hintergrund auch niemand an Veränderungen interessiert ist, werden die Interessen der Genossenschaftsmitglieder marginalisiert und missachtet. Das ganze Dilemma erfolgt im Rahmen der genossenschaftlichen Selbstorganisation unter staatlicher Aufsicht.
Vergleichen wir diese international vorherrschende Aufbruchstimmung mit der Situation in Deutschland Genossenschaft wird es richtig langweilig. Bürokratie, Staatskontrolle, Zwangsmitgliedschaft in einem Prüfungsverband, Pflichtprüfung und ein dreistufiges Verbandssystem prägen und gestalten unsere genossenschaftliche Selbstverwaltungsorganisation. Es gibt mehr Funktionäre und Bürokraten, die sich beruflich mit Genossenschaften befassen als eingetragene Genossenschaften. Das Ergebnis ist im europäischen Vergleich nicht überzeugend. Trotz der geballten Aufsicht über die Genossenschaften wird der Rechtsmantel eingetragene Genossenschaft (eG) massiv missbraucht. Mit wenigen Ausnahmen wird der Missbrauch der Rechtsform eG von der Genossenschaftsorganisation gesteuert oder unterstützt. Genossenschaften werden in Deutschland von den Verbänden gesteuert – nicht von den Mitgliedern. Trauriges Beispiele sind die Volks- und Raiffeisenbanken, diese werden vom BVR (Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken e.V.) wie Filialbetriebe geführt. Das gilt auch für die mitgliederstarken, dem Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (GdW) zugeordneten Wohnungs-Genos. So beschneidet der GdW die Mitgliederrechte durch Mustersatzungen und spricht vorsorglich von Miete und einem Mietspiegel und nicht von einer Nutzungsgebühr. Laut igenos e.V. (Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder) sind mehr als 80% der deutschen Genossenschaftsmitglieder Teilhaber einer staatlich geprüften „Scheingenossenschaft“, deren Mitglieder missbraucht werden um die Vorteile der Rechtsform aufrecht zu erhalten.
Formalrechtlich präsentiert sich die eingetragene Genossenschaft (eG) als eine eigenständige Rechts-, Unternehmens- und Kooperationsform. Es wird unterschieden zwischen Genossenschaftszweigen (Wirtschafts- Kultur und Sozialgenossenschaften) und eine Vielzahl von Genossenschaftsarten ( Energie- und Kreditgenossenschaften, ländliche Genossenschaften, Wohnungs- und Wohnungsbaugenossenschaften ) Der Förderzweck orientiert sich an der Art der Genossenschaft. Renditegenossenschaften sind nicht zugelassen.
Bei der eG handelt es sich um eine zweckgebundene Gesellschaftsform, was auf keine andere Rechtsform zutrifft. Gleichzeitig gilt ein Transparenzgebot. Die Geschäftstätigkeit ist zwingend darauf auszurichten, die Mitglieder – und nur diese – bei der Erreichung ihrer wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Ziele zu unterstützen. Wir sprechen hier vom Gebot der Mitgliederförderung, die keine andere Rechtsform aufweist. Der Kooperationsgrundsatz betont, dass gemeinsame Ziele gemeinsam erreicht werden sollen, was Einzelne auf sich allein gestellt nicht zu leisten vermögen.
Die eG ist der einzige Unternehmenstyp, der von Mitgliedern (als Eigentümern und Nutzern) getragen wird. Ohne Mitglieder gäbe es keine Genossenschaft. Das genossenschaftliche Identitätsprinzip und der daraus abzuleitende Partizipationsgedanke gewährt den Mitgliedern die Möglichkeiten ihren Förderanspruch selbst festzulegen. Die demokratische Struktur der Genossenschaft und absolute Transparenz sind wesentliche Bestandteile der Genossenschaftskultur.
Die Genossenschaftsmitglieder sind aufgefordert, ihre Genossenschaft mitzugestalten, aber ohne dabei in das Tagesgeschäft einzugreifen. Die Genossenschaftsmitglieder haben aber dafür die Möglichkeit, in der Generalversammlung Vorstand und Aufsichtsrat abzuwählen. Die Einzelheiten klärt die Satzung, die aufgrund der vorherrschenden Satzungsfreiheit jederzeit von der Generalversammlung angepasst werden kann.
Gemäß § 1 Abs. 1 des geltenden deutschen GenG sind Genossenschaften „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“.
Die im Gesetzestext enthaltenen Merkmale beschreiben sowohl die originelle Rechtsform eG als auch das unverwechselbare Wesen einer Genossenschaft, nämlich einen freiwilligen Zusammenschluss von privaten Haushalten oder Erwerbsunternehmen, die das gemeinsame Interesse an der Lösung ökonomischer oder/und nichtökonomischer Aufgaben durch Zusammenarbeit verbindet.
An der Mitgliedschaft Interessierte treten freiwillig in die Genossenschaft ein und können ebenso wieder austreten. Insofern ist der Mitgliederkreis offen, was zu einem variablen Mitgliederbestand führt, der nicht geschlossene Mitgliederzahl.
Die genossenschaftliche Idee besteht darin, privaten Haushalten oder Erwerbswirtschaften unter Wahrung ihrer Selbständigkeit und Verantwortlichkeit kooperative Möglichkeiten der Teilnahme am Wirtschaftsleben zu erschließen und diese auch genossenschaftlich abzusichern. Die eingetragene Genossenschaft befindet sich im Gemeinschaftseigentum. Aufgrund der Förderzweckbindung sind die „Genossen“ nicht am Wertzuwachs ihrer Genossenschaft beteiligt. Ausnahme ist die Auflösung, bzw. die Umwandlung der Genossenschaft in eine andere Rechtsform. Genossenschaften sind vielleicht die besseren Kapitalisten, aber keine am Gemeinwohl orientierte Unternehmen!