Weniger Energie-, mehr Dienstleistungsgenossenschaften registriert – 6.000 Stromgenossenschaften vor einem Jahrhundert

21. August 2017 (geno). „In vielen Regionen gibt es bereits eine der mittlerweile rund 850 Energiegenossenschaften“. Das äußerte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Genossenschafts. und Raiffeisenverbandes (DGRV), Eckard Ott, in der aktuellen Ausgabe der „Genossenschaftlichen Allgemeinen Zeitung“. Seit 2011 seien hier die jährlichen Gründungszahlen rückläufig. Im vergangenen Jahr seien nur noch 19 neue Energiegenossenschaften gegründet worden. Neben den regulatorischen Rahmenbedingungen sei dies im Bereich der erneuerbaren Energie vor allem auf Sättigungstendenzen zurückzuführen. Erstmals seit acht Jahren habe der Bereich Energie nicht mehr die dominierende Position in der Gründungsstatistik. Im Gründungstrend liege nun die Dienstleistungsbranche. Auf sie entfalle jede dritte Neueintragung. Insgesamt seien im Jahr 2016 unter dem Dach des DGRV 95 neue Genossenschaften registriert worde, die von rund 2.000 Menschen gegründet wurden.

Das sind jedoch nicht alle Genossenschafts-Neugründungen in Deutschland im vergangenen Jahr. Im DGRV sind zwar die meisten organisiert, aber beileibe nicht alle. Genossenschaftsstatistik bietet erhebliche Tücken. Entscheidend für den tatsächlichen Befund sind die Einträge in sämtlichen deutschen Genossenschaftsregistern. Ein Studie, die auf dieser Basis im Jahr 2014 in der Leuphana Universität Lünburg entstanden ist, zeigt, dass es vor drei Jahren bereits 973 Energiegenossenschaften – überwiegend Bürgerenergiegesellschaften – in Deutschland gegeben hat. Das seien elf Prozent der insgesamt 8.861 deutschen Genossenschaften im Jahr 2014 gewesen.

Dennoch hat die Energiewirtschaft keinen Anlass mit stolz geschwellter Brust durch die Landschaft zu gehen. Eben aufgrund dieses weitgehend monopolistisch strukturierten Wirtschaftsbereichs haben die Konzerne nicht mehr Genossenschaftsgründungen zugelassen. Dass der gegenwärtige Energiegenossenschaftssektor trotz jüngsten Gründungsbooms eine Art „Mauerblümchen-Dasein“ fristen und die wirklichen Potentiale nicht ausschöpfen könnte, lässt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin mit einer Untersuchung vermuten. Sie wurde ebenfalls 2014 erarbeitet und wirft einen sehr aufschlussreichen Blick in die Vergangenheit. So heißt es gleich zu Anfang: „Die Idee, Produktion und Verteilung von Energie genossenschaftlich zu organisieren, ist keineswegs neu. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden vor allem zur Versorgung des ländlichen Raums lokale Elektrizitätsgenossenschaften gegründet. Im Deutschen Reich gab es etwa 6.000 Stromgenossenschaften.“ Der statistische Vergleich der Zahlen ist beeindruckend und macht nachdenklich. ++ (en/mgn/21.08.17 – 167)

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