Dritter Sektor in Brandenburg – Genossenschaftsbanken sind keine Genossenschaften

Dritter Sektor. Potsdam/Berlin, 22. August 2017 (geno). „Die Potentiale dieser Rechtsform können für das Land Brandenburg mit seiner flächenmäßig weit auseinandergezogenen Siedlungsstruktur mehr bieten, wenn deren Vorzüge stärker außerhalb der traditionellen Betätigungsfelder von Genossenschaften genutzt werden.“ So lautet ein Kernsatz im Fazit einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung unter dem Titel „Zur Situation, den Leistungen und den sozialen Effekten von Dritte-Sektor-Organisationen im Land Brandenburg“.  Die Untersuchung umfasst neben 18.000 Vereinen, 350 gemeinnützigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (gGmbH) und 180 Stiftungen auch knapp 160 Genossenschaften. Es handelt sich dabei um 141 Wohnungsgenossenschaften, zehn Genossenschaften aus dem Bereich Energie/Versorgung/Umwelt sowie fünf Kulturgenossenschaften und eine Sozialgenossenschaft. Bezeichnenderweise haben die Autoren nur diese explizit dem Dritten Bereich zugeordnet, obwohl es in dem Bundesland insgesamt 541 Genossenschaften gibt. Finanz-, Agrar- und Handelsgenossenschaften wurden nicht einbezogen. Die aufschlussreiche Begründung zu dieser Entscheidung ist folgendermaßen formuliert: „Weil die meisten Genossenschaftsbanken, aber auch andere große genossenschaftliche Unternehmen, vom Identitätsprinzip abweichen – denn Genossenschaftsmitglieder sind gleichzeitig Eigentümer und Kunden – und ihre Geschäfte auch mit Nichtmitgliedern tätigen.“

Aus dieser deutlichen Erklärung ist zu entnehmen, dass die Mitarbeiter des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung solchen Genossenschaften die soziale, politische und demokratische Komponente einer genossenschaftlichen Organisation absprechen, die eigentlich zu ihren Wesenszügen gehören müsste. Deswegen wurden sie nicht in die Analyse einbezogen. Ihre Distanz zum Dritten Sektor und zur genossenschaftlichen Identität wird damit von der Wissenschaft manifest und publik gemacht. Wie sich Organisationen dieses Sektors nach Auffassung der Berliner Wissenschaftler tatsächlich charakterisieren lassen, illustrieren sie eindeutig: „Mit ihrer Multifunktionalität prägen sie die Gegenwart und schaffen zugleich grundlegende Voraussetzungen für die Zukunft. Sie tragen zur Sozialintegration und demokratischen Gestaltung der Gesellschaft bei. Dabei sind die Organisationen als Vertreter von Mitgliederinteressen und Anliegen Dritter aktiv. Mit dieser ‚Anwaltsfunktion‘ bringen sie sich als organisierte Zivilgesellschaft in das politische Leben auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ein. Gleichzeitig binden und fördern sie den überwiegenden Teil des bürgerschaftlichen Engagements. Darüber hinaus stellen die Organisationen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar.“  ++ (so/mgn/22.08.17 – 168)

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