Japanische Pläne eines genossenschaftlichen Staates

Tokio, 18. April 2018 (geno). Pläne für einen genossenschaftlichen Staat schmiedete der japanische Sozialreformer Toyohiko Kagawa (1888-1960). Ein solches kooperativ organisiertes Land, in dem die Unterschiede zwischen arm und reich aufgehoben sind, sollte nach christlichen Prinzipien aufgebaut und regiert werden. Darüber berichtet Toru Hijikata in einem Magazin, das zum 200. Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen erschienen ist. Der Professor für Soziologie an der Seigakuin Universität im japanischen Saitama weist darauf hin, dass der Visionär Kagawa seinerzeit allerdings mit einer Realität voller Not und Elend, Krankeit und Gewalt in Japan und weltweit kollidierte. Kagawa habe ein „emotionales Christentum“ abgelehnt, das den Glauben zu einer rein inneren Angelegenheit des Einzelnen macht. Jesus sei zur Erlösung der gesamten Menschheit einschließlich der wirtschaftlichen Belange gekreuzigt worden. Wer Christus folgt, dürfe deswegen das säkuläre Wirtschaftsleben nicht ignorieren. Andernfalls herrsche ein „religiös halb gelähmter Zustand“. Gesellschaft und Geschichte sowie Religion und Wirtschaft voneinander zu trennen, könne nach Kagawas Überzeugung nicht richtig sein. Christentum bliebe ohne Gestaltung der Wirtschaftsordnung inkonsequent. Dieser Ansatz, in dem Genossenschaften eine Schlüsselrolle spielten, prägten Kagawas Theologie und Wirtschaftstheorie.

Kagawa unterteilte die Genossenschaften in sieben Kategorien, denen „sieben Prinzipien des wirtschaftlichen Wertes“ zugrundeliegen. Diese leitete er aus dem Neuen Testament ab und nannte sie „Grundsätze Jesu über die Wohlfahrtswirtschaft“. Nach seiner Ansicht konnten die sieben Genossenschaftsarten ihre Wirkung erst dann voll entfalten, wenn sie das gesamte Wirtschaftsleben prägten und sich komplementär ergänzten. Zu seinen Vorschlägen gehörte, dass auch Kirchen Genossenschaften gründen und betreiben. In einer solchen „Bewegung vom Land Gottes“ sollten Katholiken und Protestanten mit vereinten Kräften aktiv werden. Diese Haltung entsprach damals der des „Internationalen Missionsrates“ (IMC). Er wurde von protestantischen Konfessionen seit den 1910er Jahren verkündet und 1961 in den weltweit agierenden „Ökumenischen Rat der Kirchen“integriert.

Kagawa, der Genossenschaften mit aktivem Christentum gleichsetzte, war 1947 an der Gründung der „Weltföderalisten“ beteiligt und leitete 1952 deren Asienkonferenz. Sie haben heute beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der UNO. Hijikata bezeichnet Kagawa als den „japanischen Raiffeisen“ und schreibt dazu: „Er folgte dem Vorbild von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dessen System von Kreditgenossenschaften in Japan um die Jahrhundertwende bekannt geworden waren – im Zuge von Kampagnen zur Modernisierung Japans nach dem Vorbild Europas und der USA, die von der japanischen Regierung unter dem Motto ‚Zivilisation und Aufklärung‘ propagiert wurde und die politische und soziale Umgestaltung Japans sowie die Öffnung des Landes gegenüber dem Westen einläutete.“ ++ (st(mgn/18.04.18 – 078)

www.genonachrichten.de, www.genonachrichten.wordpress.com, www.genossenschaftsnachrichten.wordpress.com, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

Christentum, Europa, Friedrich-Wilhelm Raiffeisen, Genossenschaften, genossenschaftlicher Staat, Internationaler Missionsrat, Japan, Jesus Christus, Katholiken, Kirchen, Protestanten, Religion, Toru Hijikata, Toyohiko Kagawa, UNO, USA, Weltföderalisten, Zivilisation
Jetzt Spenden! Das Spendenformular wird von betterplace.org bereit gestellt.