Genossenschaftsutopie Etienne Cabets gescheitert

Köln/Berlin, 13. Juli 2020 (geno). Der Roman von Etienne Cabet über eine Gesellschaft mit Gütergemeinschaft, in der jeder die gleiche Arbeitsmenge beisteuert und jeder dasselbe Anrecht auf das Produkt der Arbeit hat, erzählt über die Inselrepublik Ikarien. Der Versuch Cabets, seine Genossenschaftsideen in Mustersiedlungen in Texas umzusetzen, ist gescheitert. Das meint der Berliner Publizist Mathias Greffrath am Sonntag in einem Essay im Deutschlandfunk. Ein ähnliches Schicksal habe das Projekt „New Harmony“ des hochherzigen britischen Fabrikanten Robert Owen im US-Bundesstaat Indiana erlitten. Es sollte die Praxistauglichkeit einer Gesellschaft ohne Privateigentum, ohne Kirche und Ehe, die „das Glück vernichten“, beweisen.

Greffrath erläutert: „Diese und andere Genossenschaftsgründungen blieben alternative Inseln im Meer des Kapitalismus – allesamt nur für kurze Zeit. Sie scheiterten aus vielen Gründen: an unduldsamen Anführern, am Streit über Prinzipien, vor allem aber an der geringen Produktivität und dem harten Leben einer handwerklich-bäuerlichen Produktionsweise, die mit den Produkten der großen Maschinen nicht konkurrieren konnte, an der Feindschaft der ungebundenen Eigentümergesellschaft. Was der Geist der Gleichheit überlebte, wie bei den Shakern und den Amischen, wurden diese Gemeinschaften von starken religiösen Banden zusammengehalten.“ Die Utopien des 19. Jahrhunderts sind nach Meinung des Autors meist defensiv und rückwärtsgewandt. Sie seien keine großen Entwürfe für eine andere Gesellschaft, sondern der Flucht vor den Brutalitäten der Ausbeutung und des Elends in den ersten Industriestädten, Einladungen zum Auswandern aus einer Gesellschaft, in der die Forderung nach Rechten zusamengeschossen wurden.

Tiefer geblickt irrt Greffrath mit seinem Genossenschaftsverständnis, denn praxisbewährte Kooperativen gibt es seit Jahrhunderten. Sie sind also keine Utopie. Außerdem sind sie eine ganz besondere Form des privaten Eigentums. Dies zu verstehen und einzusehen, ist allerdings eine spezielle Kunst, die auch heute nur wenige beherrschen. Darin besteht der weit verbreitete gravierende Mangel. Ihm ist mit allen Mitteln abzuhelfen. ++ (hi/mgn/13.07.20 – 104)

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