Chef prominenter Orchester Genossenschaft erneut ein „Meininger“

Berlin/Meiningen, 26. August 2019 (geno). Der aus dem sibirischen Omsk stammende Dirigent Kirill Petrenko gab am Wochenende in Berlin sein Debüt als künstlerischer Leiter der Berliner Phiharmoniker. Das Musikspektakel des Russen, der im südthüringischen Meiningen seine steile Karriere in Deutschland begann, war glanzvoll und beeindruckend. Petrenko trat damit das große Erbe eines anderen „Meiningers“ an, nämlich das des vor rund 130 Jahren den Ruhm der Philharmoniker begründenden legendären Hans von Bülow.

Die Organisationsstruktur des weltweit bekannten und berühmten Orchesters hatte Genossenschaftsprofil. Die Musiker handelten seinerzeit aus einer Notlage heraus. Zum 125jährigen Jubiläum des Klassik-Ensembles im Jahr 2007 schrieb eine Berliner Zeitung über das Vorgänger-Orchester: Als der Maestro Benjamin Bilse seinen Angestellten kurz vor der 1882er Tournee nach Warschau – Hin- und Rückfahrt selbstverständlich 4. Klasse – neue Verträge vorlegt, die eine massive Kürzung des bescheidenen Gehalts von rund 500 Mark vorsahen, kommt es zur Revolte. 50 der 56 Musiker lassen die 24-Stunden-Frist für die Unterschrift verstreichen, werden gefeuert und gründen keine zwei Wochen später ein eigenes Ensemble. Unter notarieller Aufsicht geben sie sich eine Satzung und wählen einen eigenen Vorstand. Die erste deutsche „Orchesterrepublik“ ist geboren. Der seit 1877 in Meiningen wirkende Hans von Bülow, der die herzogliche Hofkapelle von Sachsen-Meiningen zum Weltorchester gemacht hatte, wurde 1887 verpflichtet.

Sein Nachfolger Wilhelm Furtwängler verkaufte die „Orchesterrepublik“ an die Nazis. Unter Goebbels Diktat gaben 1934 alle aktiven Mitglieder ihre Anteile und ihr Recht auf Selbstverwaltung ab. Dieser Zustand dauerte bis zum 16. Juli 1989, als nach dem Tod Herbert von Karajans in einer ersten demokratischen Wahl Claudio Abbado zum neuen Chef auserkoren wurde. Dennoch blieben die Musiker unter staatlichem Kuratel. Erst Sir Simon Rattle hatte seine Unterschrift unter den Vertrag davon abhängig gemacht, dass die bis dahin als untergeordnete Behörde des Berliner Senats rangierenden Philharmoniker in eine Stiftung überführt werden. So geschah es. ++ (mu/mgn/26.08.19 – 139)

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