DSkV Verblüffende Parallelen zwischen Genossenschaftsidee und Skat – Verband hat „Ansichten wie eine alte Frau“

Altenburg/Frankfurt an der Oder, 24. Juli 2017 (geno). Wenn staatliche Institutionen ein Kulturgut zum immateriellen Erbe der Region, der Nation oder gar der Welt erheben, dann muss es dafür gewichtige Gründe geben. In der Regel geht es darum, nützliche, einmalige oder nachahmenswerte Traditionen vor dem Vergessen, dem Verfall oder gar dem gänzlichen Verschwinden  zu bewahren. Wie weit das administrative Rettungsseil dann geworfen werden muss, schilderte am Wochenende die in Frankfurt an der Oder herausgegebene „Märkische Oderzeitung“ (MOZ) in einer eindrucksvollen Reportage am Beispiel des im thüringischen Altenburg „erfundenen“ und in diesem Jahr von der Deutschen UNESCO-Kommission auf die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzten Skatspiels. Es ergeben sich verblüffende Parallelen zur Genossenschaftsidee, die dieses Zertifikat ein Jahr zuvor erlangte, dann als erstes deutsches Projekt für die repräsentative Liste des immateriellen Weltkulturerbes kandidierte und sich tatsächlich vor acht Monaten offiziell in dieser honorigen Registratur offiziell platzierte.

Erst bei näherem Hinsehen fällt auf, dass sowohl Skat als auch Genossenschaften in einer tiefen Daseinskrise stecken. Ohne künstliche – sprich amtliche – Beatmung und Wiederbelebung könnten sie einen vielleicht nicht schnellen, aber stillen Tod finden. Dem 200 Jahre alten Skatspiel „geht der Nachwuchs aus. Der harte Kern ist in die Jahre gekommen“, urteilt die MOZ und schildert das Dilemma ausführlich. Es gibt zwar Landesverbände, einen nationalen Deutschen Skatverband (DSkV) und einen Weltskatverband (ISPA). Aber von deren Hierarchien gehen kaum oder gar keine lebenserhaltenden und innovativen Impulse aus. Ähnliche Eindrücke gewinnt der Betrachter vom deutschen Genossenschaftssektor. Noch vor 100 Jahren gab es in Deutschland 40.000 Genossenschaften. jetzt sind es nur noch rund 8.000, die in mühselig durchschaubaren Verbandsstrukturen existieren und von zahllosen  bürokratischen Auflagen gebeutelt werden. Allein dieser Vergleich veranschaulicht die Miesere in Deutschland. Es gilt also jetzt und eher, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, anstatt anderen Ländern in der Pose sich selbst überschätzender Musterschüler der Genossenschaftsklassiker Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich-Wilhelm Raiffeisen Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten und großmütig Empfehlungen zu geben. Im Gegenteil: Der deutsche Genossenschaftssekt kann Einiges im Ausland dazu lernen, um seine prekäre Lage spürbar zu entspannen und der Genossenschaftsidee auf eigenem Terrain mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.

Wie die gesellschaftliche „Gefangenschaft“ immaterieller Kulturgüter hierzulande aussieht und weiteren widrigen Umständen ausgesetzt ist, schildert der Skat-Landesverbandspräsident von Berlin-Brandenburg Dieter Galsterer aus seinem Metier und trifft mit so mancher Einschätzung gleichzeitig auch die Genossenschaftsidee mitten ins Herz. Die MOZ schreibt dazu: „Schuld sind Galsterer zufolge aber auch die Vereinsspieler selbst. Viel zu oft werden Neugierige, die noch nicht so gut sind, gefragt, warum sie nicht lieber Mau-Mau spielen. ‚Das guckt man sich doch nur ein oder zwei Mal an !‘, schimpft er. Und dann ist da noch der Dachverband, der DSkV. Der sollte seiner Meinung nach endlich auch Rommespieler aufnehmen – das sind noch immer meist Frauen. Das käme auch den Männern entgegen, wenn ihre Frauen mitkommen könnten, glaubt Galsterer. ‚Das ist die Zukunft, aber der DSkV, der hat selbst Ansichten wie eine alte Frau. Wir sind nicht modern.‘ Die Hoffnung fahren lassen will der Präsident dennoch nicht. Noch während er aufsteht, um den Nachmittag über weiterzuspielen, wird er kämpferisch: Skat ist ein Spiel, das niemals kaputt geht.“ Dafür sorgen gewiss die 25 Millionen Skatspieler weltweit, von denen die meisten in Deutschland leben. Das dürfte auch für die Genossenschaftsidee gelten. Dafür müssen die rund 20 Millionen deutschen Genossenschaftsmitglieder einstehen, ihre demokratische Selbstverwaltung mobilisieren, modernisieren und vereinfachen. Vielleicht gehört dazu auch eine eigene genossenschaftlich Gerichtsbarkeit. Denn bislang ist die Herausbildung und Anwendung des Genossenschaftsrechts nicht mehr als ein Nebenzweig, Anhängsel oder Hobby der Justiz zu bewerten. Da gäbe es ein Vorbild bei den Skat-Spielern. Sie haben in Altenburg ein Skat-Gericht, das gerade sein 97jähriges Bestehen feiert. Es entscheidet über komplizierte Streitfälle, die nicht mit Hilfe der 65 Seiten starken Internationalen Skatordnung zu lösen sind. ++ (vb/mgn/24.07.17 – 147)

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