Berlin, den 8.Juli 2024. Beim DGRV scheint ein Umdenken in Bezug auf die Rechtsform der großen Genossenschaften mit Bilanzsummen über 500 Mio. zu beginnen. Offenbar ist nun auch beim DGRV die Erkenntnis gereift, dass die noch im Januar 2022 verkündete Auffassung, das Nominalwertprinzip bei Verschmelzungen von Genossenschaften sei Ausdruck der genossenschaftlichen Mitgliederförderung, überdacht werden muss.
Ging früher ein Aufschrei durch die Genossenschaftsverbände und den DGRV, wenn Genossenschaften einen Rechtsformwechsel auch nur in Erwägung zogen, so war dies plötzlich überraschend anders. So konnte der Vorstand der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein Main eG am 23.04.2023 den anwesenden Mitgliedern die Bedeutung des Prinzips „einmal nominell, immer nominell“ bei der Rechtsform der Genossenschaft (Anmerkung: was bedeutet, dass die Genossenschaftsmitglieder keinen Anteil am Vermögen ihres eigenen Unternehmens haben sollen) im Gegensatz zur Rechtsform der AG erläutern: „Die Aktionäre partizipieren jedoch an den Rücklagen und damit am „inneren Wert“ der RWZ AG“.
RA Jan Holthaus, Vorstand des DGRV hatte es sich nicht nehmen lassen, den Prüfungsbericht seines Hauses zum Formwechsel zu verlesen. So war es kein Wunder, dass sich danach 100% der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder für die Umwandlung in die Rechtsform Aktiengesellschaft aussprachen.
Im Webauftritt der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein Main ist zum gleichen Thema zu lesen:
„Inwiefern bringt die Umwandlung Vorteile für die Mitglieder?
Wir wollen unsere Mitglieder stärker am Unternehmenserfolg teilhaben lassen. Denn es gibt einen wesentlichen Unterschied: Das Mitglied einer Genossenschaft zeichnet prinzipiell einen Anteil zu einem fixierten Betrag, bei der RWZ sind dies 3.070 EUR für einen Anteil. Im Laufe der Mitgliedschaft partizipiert das Mitglied zwar unmittelbar am Ergebnis über Warenrückvergütung und Dividende, aber nur mittelbar an etwaigen Wertsteigerungen des Unternehmens und an den Gewinnrücklagen. Denn Genossenschaftsanteile lassen sich nicht ohne Weiteres veräußern, sondern nur kündigen. Dabei bekommt man nur das Geschäftsguthaben, also die oben erwähnten 3.070EUR je Anteil wieder. Das ist bei einer Aktiengesellschaft anders. Durch die Möglichkeit, den Anteil zu veräußern, können Aktionäre auch unmittelbar an der Wertentwicklung teilhaben.“
Die Vorteile für die Mitglieder können sich sehen lassen. Im Rahmen der Umwandlung wurde ein Geschäftsanteil von 3.070 EUR in 307 Stückaktien umgewandelt. Jede Aktie hatte einen Wert von 46,38 Euro. Der größte Teil der Aktien ging an die Raiffeisenbank Ems-Vechte eG. Aus ihrem bei der RWZ eG gezeichneten Geschäftsguthaben in Höhe von 2,3 Mio. EUR Geschäftsguthaben wurden 223.627 Stückaktien gebildet. Daraus ergab sich ein Aktienwert von 10,8 Millionen Euro und ein sofortiger Gewinn von 8,5 Millionen Euro. Mitgliederförderung pur für das Mitglied Raiffeisenbank Ems-Vechte eG. Natürlich wurden auch viele weitere Volks- und Raiffeisenbanken, andere Unternehmen und Privatpersonen die Mitglieder waren, auf diese Art und Weise finanziell gefördert.
Schließlich war es das Vermögen der eigenen Genossenschaft, an dem sie nach dem Formwechsel beteiligt waren. Eben ein Ausdruck genossenschaftlicher Mitgliederförderung.
Auch der GenoVerband, der frühere Genossenschaftsverband der Regionen, durfte sich über eine solche, bei den Genossenschaftsbanken immer noch verteufelte Beteiligung der Mitglieder am Vermögen ihrer Genossenschaft freuen. 16 Geschäftsanteile oder 49.120 EUR Geschäftsguthaben bescherten auch dem Verband einen plötzlichen Gewinn von fast 190.000 EUR. Man kann also allen Mitgliedern nur gratulieren, dass sie dem Rechtsformwechsel zugestimmt haben.
1 Kommentar.
Vielleicht sollte die Umwandlung in eine AG auch einmal unter dem Aspekt der Ausnutzung von Insiderwissen geprüft werden. Im Jahr 2022 wurden zwar keine neuen Mitglieder aufgenommen, aber immerhin sind zusätzlich 370 neue Geschäftsanteile hinzugekommen. Dafür mussten 1.135.900 Euro Geschäftsguthaben eingezahlt werden. 3 Monate später waren daraus Aktien im Wert von 5,27 Millionen Euro geworden. Wer hat davon profitiert?