Welttreffen der Sozialgenossenschaften

Neapel/Wien, 8. Mai 2019 (geno). „Während in Österreich Genossenschaften stark unternehmerisch verortet sind, bieten andere Länder wie Italien, Tschechien oder auch Südkorea spezielle gesetzliche Bestimmungen für Genossenschaften, die sozialen Nutzen für das Gemeinwohl stiften.“ Das stellt das österreichische Genossenschafts-Magazin „cooperativ“ in einem Bericht seiner jüngsten Ausgabe über das jedes Jahr in Neapel stattfindende Welttreffen der Sozialgenossenschaften fest. Dieser Sonderstatus sei meist verbunden mit steuerlichen Erleichterungen, geringeren Sozialversicherungsabgaben bei Arbeitsverhältnissen oder mit dem Zugang zu speziellen Förderungen beispielsweise zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Die „Social Cooperatives International School“ zeige, wie groß die Vielfalt dieser Genossenschaften ist. Allein im Gastgeberland Italien gebe es 6.225 Sozialgenossenschaften , in denen 229.000 Menschen tätig sind. Eine besondere Vorgeschichte habe die Genossenschaft Fuori di Zucca in einem Vorort von Neapel. Das idyllische Areal sei eines von 40 Grundstücken, die der Staat von der Mafia konfisziert hat und das nun einem gemeinnützigen Zweck zugeführt wurde. Die Genossenschaft ermöglicht Menschen, die durch Traumata, Krankheit oder Drogensucht aus ihren Arbeits- und Sozialverhältnissen herausgefallen sind, einen Zugang zu sinnvoller Arbeit. Gärten werden bewirtschaftet, Tiere versorgt und ein Hofladen verkauft die Produkte der Genossenschaft. Eine Gedenkstätte im Garten erinnert an die Opfer der Camorra und verweist auf die Vision von Fuori di Zucca: auf dem „belasteten“ Boden sollen Initiativen für Gemeinschaft und Sozialleben entstehen.

In einem weiteren Erfolgsmodell namens „Ambiente Solidale“ sammelt, sortiert und verwertet die Kooperative textile Abfälle. Dort sind inzwischen 30 Personen beschäftigt. Der Überschuss beim Wiederverkauf fließt in ein Projekt, bei dem täglich Care-Pakete für 70.000 Menschen in der Region Neapel gepackt und verteilt werden. Die Sendungen gehen meist an Arbeitslose und arme Familien.

Sozialgenossenschaften gibt es auch außerhalb Europas. In Indien sind es 3.000 Sozialgenossenschaften. In Nigeria dominieren Sozialgenossenschaften im Agrar-, Finanz- und Konsumbereich. Mit ihrem Enthusiasmus begeisterten auf dem Treffen in Neapel die Genossenschaftsmitglieder aus Südkorea. Sie verkündeten eine neue Gesellschaftsvision: „Erst der Mensch, dann das Kapital“.

Zum Abschluss der internationalen Großveranstaltung sprach der Mailänder Wirtschaftsprofessor Mario Calderini über die neue Ethik von Investments. Er erläuterte, wie soziale Implikationen und Rentabilität miteinander erfolgreich kombiniert werden können. Das sei dann für den Staat sogar wirtschaftlich interessant, weil er soziale Folgekosten einspart. Calderini lehrt am Mailänder Politechnikum Strategie und soziale Innovation. Er gehört zahlreichen Forschungsgremien an. Zudem ist er Mitglied der Beratergruppe der italienischen Regierung für soziales Unternehmertum und in der Task Force der Regierung für Sozialinvestitionen. Darüber hinaus ist Calderini Direktoriumsmitglied der neuen Nesta Italy Foundation. Die am 17. Oktober 2017 gegründete Stiftung mit Sitz in Turin ist entstanden in einer Partnerschaft zwischen der globalen, in Großbritannien ansässigen Innovationsstiftung Nesta mit der Compagnia di San Paolo, einer der größten und ältesten philantropischen Stiftungen Italiens. Eines ihrer vier Schwerpunktprogramme ist auf zukünftige Gemeinschaften gerichtet. Dabei sollen in einem kollaborativen Prozess alternative und wünschenswerte Zukunftsgemeinschaften erarbeitet und entwickelt werden. ++ (so/mgn/08.05.19 – 089)

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