Reformarchitekten Alfred Messel – Schillernde Geschichte des Berliner Genossenschaftsbaus

Berlin, 6. November 2017 (ADN). Alfred Messel als Vorbild. Berlin schlägt ein neues Kapitel im Genossenschaftswesen auf. Wie am Montagabend bei einem Werkstattgespräch des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin unter dem Titel „Sozialpolitische Impulse für Berlin“ der Atelierbeauftragte im Kulturwerk des bbk berlin Martin Schwegmann mitteilte, wird sich die noch sehr junge Genossenschaft ZUsammenKUNFT eG an der Projektentwicklung und Gestaltung des ehemaligen Hauses der DDR-Statistik beteiligen. Der seit dem Jahr 2007 leerstehende Gebäudekomplex im Stadtzentrum am Berliner Alexanderplatz ist nach Angaben von Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher vom Land Berlin der Bundesrepublik Deutschland für einen niedrigschwelligen Millionenbetrag abgekauft worden und soll nun umgestaltet werden. Er biete geeigneten Wohnraum für 4.000 Menschen. Genossenschaften sollen maßgeblich in das anspruchsvolle Vorhaben eingebunden werden. 

In Berlin gibt es heute etwa 200.000 Genossenschaftswohnungen. Damit ist die deutsche Hauptstadt Hochburg auf diesem Sektor. Die genossenschaftlichen Wohnungsbestände sind allerdings auf das Stadtterritorium sehr ungleich verteilt. Darauf weist das vom Berliner Mieterverein monatlich herausgegebene „MieterMagazin“ in seiner aktuellen Novemberausgabe hin, der als Hommage an Berlins Reformarchitekten und als Bekenntnis zum Wohnungsbau nach den Prinzipien Selbsthilfe, Solidarität und Sicherheit bezeichnet werden kann. Sehr hohe Anteile genossenschaftlichen Wohnens verzeichnen die Außenbezirke Ost-Berlins. In Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf stehen mit 35.000 beziehungsweise 28.000 die meisten Genossenschaftswohnungen. In beiden Bezirken ist das ungefähr jede vierte Mietwohnung. Unter den Westbezirken hat Tempelhof-Schöneberg mit knapp 15.000 Genossenschaftswohnungen die Nase vorn. Das sind gut zehn Prozent des Mietwohnungsbestandes. In der Berliner Innenstadt liegt der genossenschaftliche Anteil nur zwischen drei und sechs Prozent. Der ehemalige Senatsbaudirektor und Berliner Chefplaner Hans Stimmann machte dafür in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ am Sonntag die Bodenpolitik verantwortlich. Der Senat müsse für den Hausbau geeignete Parzellen bilden und diese kleinteilig vergeben. So lange das nicht passiere, werde auch mit guter Architektur nicht die Stadt entstehen, von der alle träumen. „Weil nur eine Handvoll Projektentwickler oder große Wohnungsbaugesellschaften große Grundstücke entwickelt können. Baugruppen, Genossenschaften, Mittelständler wie ehemals die Handwerker in der Gründerzeit haben keine Chance.“ 

Besonders aufschlussreich ist der ausführliche Blick des „MieterMagazins“ in die Anfänge des genossenschaftlichen Bauens in das Berlin der Epoche der Industrialisierung. „Der Durchbruch für die Wohnungsbaugenossenschaften kam nach der Novelle des Genossenschaftsgesetzes im Jahr 1889. Darin wurde die beschränkte Haftung eingeführt. Jetzt konnten auch wohlhabende Förderer gewonnen werden, die bislang vor einem Engagement zurückschreckten, weil sie im Falle einer Pleite mit ihrem gesamten Vermögen haften mussten.“ Auch die 1890 eingeführte staatliche Rentenversicherung habe der Genossenschaftsbewegung geholfen, indem die Rücklagen der Rentenkasse als zinsgünstige Kredite für den Arbeiterwohnungsbau bereitgestellt wurden. Daraufhin sei die Zahl der Wohnungsbaugenossenschaften in Deutschland von 38 im Jahr 1889 auf 385 zur Jahrhundertwende und schließlich auf 1.402 im Jahr 1914 gestiegen.

Besonders gewürdigt wurden in dem Beitrag fortschrittlich denkende Architekten, die die Genossenschaften zu Vorreitern des Reformwohnungsbaus machten. „Es sollten gesunde Wohnungen mit Bad und WC, mit viel Luft und Sonne, mit Grünanlagen und Spielplätzen und ohne enge Hinterhöfe und Gewerbelärm entstehen. Die Entwürfe stammten oft von renommierten Baumeistern: Paul Mebes war der Hausarchitekt des Beamten-Wohnungsvereins, Alfred Messel arbeitete mehrfach für den Berliner Spar- und Bauverein (heute Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892). Die Wohnanlagen boten den Genossen einige Annehmlichkeiten: So gab es Waschhäuser, Siedlungsbüchereien, Konsumläden, Vereinslokale, und manchmal sogar Kindergärten.“ 

Dieser richtungweisende Wohnungsbau erregte auch internationale Aufmerksamkeit. Der von Messel entworfene Block an der Proskauer Straße des Bau- und Sparvereins erhielt bei der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 eine Goldmedaille. ++ (wg/mgn/06.11.17 – 221)

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