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Grundgesetzänderung in demokratisch, sozial, kooperativ

24.12.2020. Die voranschreitende Digitalisierung als Motor einer neuen Arbeitsteilung führt zu einem übergreifenden Wertewandel, der alle Bereiche des täglichen Lebens umfasst.
Der Kooperationsgedanke und eine auf We-Q und Kooperation basierende neue Gesellschaftsform werden aus verschiedenen Perspektiven und in zahlreichen Blog Artikeln diskutiert bzw. verherrlicht Aus diesem Grund möchten sich nun auch die GenoNachrichten mit dem folgenden, eher praxisorientierten Gastbeitrag von Dr. A. Neumann an der Diskussion beteiligen. Er stellt die Frage, ob eine Grundgesetzänderung in demokratisch, sozial, kooperativ nicht ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit, staatliche Souveränität und in die private Freiheit sein könnte und damit das Gegenteil dessen bewirken könnte, was aus Sicht der Genossenschaftsbewegung erreicht werden soll.

Eine Grundgesetzänderung mit der Aufnahme des Begriffs „kooperativ“ klingt zunächst charmant. Allerdings wäre dies ein radikaler Eingriff, der schon alleine an der Frage scheitern sollte, dass kooperativ ein unbestimmter Begriff ist: Ist damit eine Rechtsform gemeint oder ein soziales Verhalten oder etwa der Versuch, es allen Recht zu machen? Nun, verwenden wir den Begriff als Gegensatz zu Konkurrenzwirtschaft oder konkurrierendem Handeln und analysieren wir die Konsequenzen.

In Deutschland gibt es Gewerbefreiheit und unternehmerische Selbstbestimmung. Unternehmen sollten selbst entscheiden, welches Modell sie für ihre Tätigkeit wählen. Ob sie mit anderen Unternehmen kooperieren, sich mit Wettbewerbern messen oder mit Wettbewerbern kooperieren. In Deutschland herrscht zudem soziale Marktwirtschaft, das heißt, das Soziale reguliert die Märkte und die Arbeitsbeziehungen und schränkt den Raubtierkapitalismus entsprechend ein. Diese soziale Ausrichtung impliziert den Begriff kooperativ.

Deutschland ist ein souveräner Staat. Würde ihm eine Grundgesetzänderung vorschreiben, ausschließlich kooperativ zu agieren? Der globalisierte Markt ist nicht kooperativ, sondern wettbewerblich strukturiert. Länder, Freihandelszonen, aber auch nationalstaatliche Bündnispartner konkurrieren miteinander. Schon jetzt schließt Wettbewerb und Konkurrenzdenken Kooperationen nicht aus, in Form von staatlichen Bündnissen, bilateralen Verträgen, gemeinsamen Märkten, Unternehmenskooperationen (vgl. Biontech/Pfizer etc). Gleichzeitig zeigt sich in Bündnissen, wie der EU, dass die Abgabe nationaler Souveränität unter dem Kooperationsgedanken zu politischen Problemen führt. Unabhängig davon, wird Kooperation versucht und gelebt, z.B. in internationaler oder europäischer Zusammenarbeit von Institutionen.

Wozu muss also das Grundgesetz geändert werden, wenn kooperatives Handeln möglich ist und bereits gelebt wird? Um auf unternehmerischer Ebene Wettbewerb und Fortschritt auszuschließen? Damit sich der Staat noch stärker in die unternehmerische Freiheit einmischen kann und mit dem Label Kooperation in Richtung Planwirtschaft gehen kann, als staatlich regulierter Kooperationszwang? Überwacht durch Zwangsmitgliedschaft in Verbänden oder Prüfungsverbänden? Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt eine alte Unternehmerweisheit. Dieses Modell hat sich bewährt und wieso sollen nicht Genossenschaften in Konkurrenz zu Kapitalgesellschaften, Aktiengesellschaften oder  institutionellen Arbeitgebern treten, wenn sie die Bedürfnisse der Bürger und Arbeitnehmer besser befriedigen können, als die Genannten.

Oder soll die Grundgesetzänderung die Menschen in Deutschland zu kooperativem Handeln verleiten? Viele Menschen kooperieren bereits, besonders in den sozialen Berufen oder im Ehrenamt. Arbeitsbeziehungen in der Wirtschaft sind längst durch flache Hierarchien geprägt, in Projekten wird kooperativ gearbeitet und Teambildung gelebt. Wieso soll vor diesem Hintergrund grundgesetzlich kooperatives Verhalten vorgeschrieben werden? Und wie soll es kontrolliert werden? Soll kooperatives Verhalten per App – wie in China – als Wohlverhalten bepunktet werden? Wer dagegen Konkurrenzdenken an den Tag legt, wird sanktioniert und hat Nachteile im Alltag? Das entspricht wohl kaum den Attributen demokratisch und sozial.

Deutschland ist ein freies, reiches Land. Jeder muss und kann selbst entscheiden, wieviel Kooperation er eingehen will und kann im Gegenzug durch die Freiheit seiner Entscheidung unkooperatives  Verhalten sanktionieren. Wichtiger wäre es, kooperativen Rechtsformen und kooperativen Arbeitsformen mehr Raum und Planungssicherheit zu geben. Dazu muss das Grundgesetz nicht geändert werden.

Ein anderer Ansatz besagt, unabhängig von der Grundgesetzfrage, dass die Politiker kooperativer zu den Bürgern sein sollen, um kooperativem Handeln mehr Raum zu geben. Was heißt das? Jeden „Wutbürger“, jeden Sonderling, jedes Einzelschicksal hören und einbinden? Wie soll das in einer Demokratie gehen, die sich an Mehrheiten zu orientieren hat? Schwierig auch in einer immer aggressiver werdenden, egoistisch geprägten Wählerwelt, die sich teils auch durch eine gewisse Bildungsmüdigkeit und Bildungsferne auszeichnet. Hier sollten Bildungsbemühungen einsetzen, die lehren, zu verstehen, dass Politik immer das große Ganze sehen muss, also vielen verschiedenen Interessengruppen gegenüber kooperativ sein muss. Das ist der Unterschied zwischen Kooperation und Kopf durch die Wand. Kooperation meint ja nie, nur die persönlichen Interessen verfolgen zu können. Es ist das Abwägen zwischen Wunschdenken und Realpolitik. In dem Zusammenhang könnten eine Aufklärung über die Genossenschaftsbewegung und den Gedanken der Kooperation und des kooperativen Handelns auch nicht schaden.

Corona wird etwas an der Gesellschaft von heute ändern? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Es ist ein Blick in die Glaskugel. Viele Menschen haben im Jahr 2020 gelernt, wie umsichtig und handlungsbereit Politik sein kann. Jetzt müsste die Politik die Klimakrise genauso beherzt angehen, wie Covid-19. Junge Menschen werden das erwarten und Ältere auch. Ob diese Herausforderung gemeistert werden kann, wird über die Zukunft der Politik entscheiden. Der Weg wird steinig sein, zumindest solange die satte Generation derjenigen, die Veränderungen zurückdrehen wollen, um ihr Denkmodell, ihren Wohlstand, ihren Status nicht zu gefährden, andere Denkweisen als Konkurrenzmodell empfindet statt als Bereicherung. In derartigen Fragen zeigt sich die Bedeutung des kooperativen Denkens: Nicht nur den Politikern als Sprachrohr ihrer Anhänger, sondern vor allem den Anhängern der reinen Lehre klar zu machen, dass die Herausforderungen der Zukunft nur durch demokratisches, soziales und kooperatives Verhalten aller gelingen können. Gemeinsam. Und zwar weltweit, denn die Länder in der Ferne und ihre Bewohner sind auf vielfältige Weise mit uns verbunden, und wir sollten mit ihnen kooperieren, damit sie und ihre Gesellschaften der Bedrohung durch den Klimawandel entgehen können. Covid 19 hat gezeigt, wie wichtig Rücksicht, Zusammenhalt und Lebensqualität in allen  Gesellschaften dieser Erde ist. Menschlich, aber auch wirtschaftlich, denn als Exportnation ist Deutschland darauf angewiesen, dass sich die Welt deutsche Produkte leisten kann. Tragen wir die Genossenschaftsidee nach draußen, um weltumspannend die Lebensbedingungen aller Menschen zu ändern und Flucht und Vertreibung zu verhindern. Für ein menschenwürdiges Leben und die Zukunft der nächsten Generationen.

Dr A. Neumann, Genossenschaft, Grundgesetzänderung, Konkurrenzmodel, Kooperation, Kooperationsidee, We-Q, Wertewandel
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6 Kommentare.

  • Nichts spricht dagegen, „Kooperation“ als „Staatsziel“ ins Grundgesetz aufzunehmen. Wer sich genauer mit „Schein“ und „Wirklichkeit“ des seit über 70 Jahren geltenden Grundgesetzes befasst, wird erkennen: „Konkurrenz“ war faktisch das bisherige „Staatsziel“. Allein die Diskussion über eine solche Änderung schafft Bewusstsein, warum wir keine „Miteinander-Gesellschaft“ haben. Man muss auch keine (langatmigen) „Wahlprogramme“ mehr lesen. Die Wahlentscheidung wäre klar und eindeutig: Ich wähle diejenigen, die eine Gesellschaft wollen, die unser Leben schützt und unseren Kindern Zukunft verspricht. Statt alles zu zerreden benötigen wir jetzt kurze, aber wirksame „Handlungsanweisungen“ an die Politik. Und „Kooperation“ als Staatsziel, sagt klar, was jede Partei will …

  • Der Beitrag kann Verwirrung stiften, weil die Einleitung und die nachfolgenden „Neumann“ Ausführungen nicht miteinander harmonieren.

    Der Dreiklang demokratisch-sozial-kooperativ geht über das hinaus, was Neumann anspricht.
    Er befasst sich im Kern nur mit Kooperation als Objekt einer Änderung des GG.

  • Redaktion GenoNachrichten. Uns geht es um Meinungsvielfalt und Transparenz. Wir unterstützten keine Einheitspartei und wir wünschen uns keine Einheitsmeinung: Darum folgenden Auszug aus den GenoNachrichten vom 6.11.2019…
    Es ist wenig bekannt, aber Adam Smith (1723 -1790) gilt als Urheber der bis heute gültigen, neoliberalen Wirtschaftspolitik, der Ideologie des schlanken Staates, der offenen Grenzen und eines sich selbst regulierenden Marktes, der sogenannten unsichtbaren Hand und damit einer Privatisierungs- und Umverteilungspolitik, die weltweit großen gesellschaftspolitischen Schaden angerichtet hat. Der deutlich bekanntere Karl Marx gilt derzeit als großer Verlierer.

    In seinem Essay „Schlanker Staat“ weist Jan Ulrich Hasecke darauf hin, dass die Vertreter des Neoliberalismus keine Sekunde zögern, „den Staat exzessiv aufzublähen, wenn es rentierlich ist.“ So habe man 1990 nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in der DDR, die bloß noch das Etikett eines Staates trug, eine ›Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums‹ gegründet, schreibt er in seinem Essay, aus dem wir im Folgenden mit freundlicher Genehmigung des Autors einen längeren Auszug bringen:

  • Die neue Wandelbewegung kommt. Es passiert etwas in unserer Gesellschaft. In vielen Bereichen auf unterschiedlichen Ebenen finden sich Menschen und Organisationen zusammen um etwas zu verändern. Weil es so nicht weitergehen darf.
    Betroffen sind die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales – wie gehen wir mit der Umwelt um – wie steht es um die Qualität unserer Nahrungsmittel? Wie menschenfreundlich ist unser Wirtschaftsansatz?
    Was wollen wir in der Gesellschaft fördern?
    Der Gemeinwohl-Ökonomie-Ansatz, der sich auszeichnet durch Nachhaltigkeit, Recycling, Upcycling, Tausch-, Leih- und Schenkkultur, bedarfsorientierte Produktion von Waren und davon ausgehend weitere Forderungen für eine menschenfreundlichere Wirtschaft: Bedingungsloses Grundeinkommen, Globale Transaktions-Steuer für Geldgeschäfte, Ökologisches Steuersystem…

    Dies ist ein wörtliches Zitat aus den GenoNachrichten vom 20. Februar 2019.
    DIE NEUE WANDELBEWEGUNG KOMMT…
    Rudert Ihr jetzt zurück? Dieser liberale Ansatz ist doch reines sozial liberales Wunschdenken….(gekürzt) Eingang über Poststelle

  • Wir sind ein freies Land? Von wegen! Bei uns ist es noch nicht so offensichtlich wie in China, aber durch unser Lobbyisten der Finanz-Pharma-
    Chemie und Öl-Konzerne. Unsere Politiker sind auf dem besten Wege uns in die Versklavung zu verkaufen und das auch noch freiwillig und das noch teilweise mit Begeisterung. Die Verdummung der Massen ist durch Manipulation der inzischen ersten Macht im Land, der Medien, so weit fortgeschritten, dass man mit einer sogenannten demokratischen Mehrheit nur noch wie Lämmige ins Verderben rennt. Die haben es uns doch auch klar gesagt was sie vorhaben …..(gekürzt)

  • Das nun ausgerechnet die GenoNachrichten in das „liberale Lager“ wechseln und von unternehmerischer Freiheit schwärmen ist doch wirklich erstaunlich.
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