Beim Genossenschaftsverband in Bonn schlug DDR-Telegramm wie Bombe ein

Delitzsch, 13. Oktober 2017 (geno).  Das heutige Hermann-Schultze-Delitzsch Haus hat sich in den Jahren 1989/90 in einem bedauernswertem baulichen Zustand befunden. Das leer stehende Gebäude vor dem Abriss zu retten, gelang in letzter Minute.  Sonst hätte ein Privatinvestor auf der Fläche in der Delitzscher Innenstadt moderne Häuser errichtet. Noch rechtzeitig konnte die damalige Leiterin des Kreismuseums Delitzsch, Christel Moltrecht, in Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister Heinz Bieniek für raschen Denkmalschutz sorgen und das Haus, in dem 1849 die erste deutsche Genossenschaft gegründet wurde, für die Nachwelt bewahren. Darüber berichtete Moltrecht als Zeitzeugin in vielen interessanten Einzelheiten  am Freitag beim 25. Gründungsjubiläums des Genossenschaftsmuseums. In der entscheidenden Phase habe sie ein Telegramm zum altbundesdeutschen Genossenschaftsverband geschickt, das dort wie eine Bombe einschlug. Im Nu wurden die ersten Finanzmittel locker gemacht. Die Bauarbeiten konnten 1991 beginnen. Zu den schwierigen Momenten der Rekonstruktion gehörte die Stabilisierung der Fußböden in den Räumen, wo alte Buchbinderei-Maschinen sus dem 19. Jahrhundert aufgebaut werden sollten. Die alten historisch wertvollen historischen Aggregate waren Geschenke der Buchbinderei Dieter Krause.

Der in Bonn ansässige Genossenschaftsverband war sich der Dringlichkeit des Vorhabens bewusst, schilderte Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV). Insgesamt floss eine Million DM. Dazu kamen Spenden in Höhe mehrerer Hunderttausend DM. Am 14. Oktober 1992 fand dann die Schlüsselübergabe statt. Das Genossenschaftsmuseum nahm seinen Betrieb auf. Eine zusätzliche Aufwertung erfuhr es durch eine zweite Funktion, indem die Tourist-Information der Stadt im Gebäude untergebracht wurde. Dennoch stand das Projekt auf tönernen finanziellen Füßen. 1996/97 wurde die Finanzlage so kritisch, dass Oberbürgermeister Bieniek für den 1. Januar 1998 die Schließung des Haus erwog. Er rief in seiner Not den damaligen Vorstandsvorsitzenden des mitteldeutschen Genossenschaftsverbandes, Dietmar Berger an, der bei der Jubiläumsveranstaltung als zweiter Zeitzeuge befragt wurde. Berger versprach eine Lösung nach zwei Wochen Bedenkzeit und initiierte einen Förderverein, der letztlich das Vorhaben aus seiner finanziellen Schieflage herausführen konnte. So überstand das Hermann-Schulze-Delitzsch-Haus seine tiefste Existenzkrise und blickt in die Zukunft mit einem jungen Führungstrio. Gestärkt wird es mit einem 5.000-Euro-Scheck der NOWEDA-Stiftung, den Wilfried Hollmann überreichte. 

Einen konkreten Ausblick auf die Zukunft skizzierte Axel Viehweger, Vorsitzende der Deutschen Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft. Es liege ein Konzept zum Ausbau des Erdgeschosses vor, um einen größeren Raum für Veranstaltungen zu gewinnen. Außerdem habe er Kontakte zu 13 UNESCO-Schulen der Region geknüpft. Dabei werde für Schülergenossenschaften geworben. Es sei äußerst wichtig, das Wissen über Genossenschaften an die Jugend zu vermitteln. Viehweger empfiehlt, auf mindestens einer monatlichen Veranstaltung an diesem wichtigen genossenschaftlichen Ursprungsort das Erbe des Genossenschaftspioniers Hermann-Schultze-Delitzsch zu pflegen und weiterzureichen.  ++ (mu/mgn/13.10.17- 205)

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