Strom-Prosumenten in Polen zwingen Kohle ins Abseits

Warschau/Zürich, 29. März 2021 (geno). In Polen vollzieht sich eine bemerkenswerte Kehrtwende. Die Kohle als bisher wichtigster und beliebtester Energieträger gerät unerwartet ins Abseits zugunsten der regenerativen Energiequellen. Verursacher der sich fast in aller Stille vollziehenden Veränderung sind die bekennenden Anhänger des sogenannten „Elektro-Prosumentismus“, die nach eigener Stromversorgung streben. Inzwischen werden sie gar von der katholischen Kirche und Regierungsvertretern ihres Staates unterstützt, der in Europa bisher Spitzenreiter im Verbrauch von Steinkohle ist und den Kohleausstieg erst für das Jahr 2049 angekündigt hat. Wie Deutschlandfunk-Korrespondent Jan Pallokat am Montag aus Warschau berichtet, wird der Löwenanteil des Stroms in Polen noch aus Steinkohle produziert. Nun erfolge eine radikale, aber leise Abkehr von diesem und anderen fossilen Energieträgern. Sogar der Rohbau eines riesigen Kohlekraftwerks im Nordosten des Landes wurde gestoppt. Bereits stehende Bau- und Ausrüstungssegmente werden wieder abgerissen. Die soziale Bewegung der Elektro-Prosumisten habe inzwischen landesweit schon eine Kapazität von vier Gigawatt installiert. Dabei handelt es sich vor allem um Solarenergie.

Der Macht dieses Trends kann sich kaum jemand entziehen. Er wird vom renommierten Gottlieb Duttweiler Institut Zürich folgendermaßen definiert und gekennzeichnet: „Die Dezentralisierung des Energiesystems führt dazu, dass die Energieproduktion räumlich und gedanklich wieder näher zum Menschen rückt. Die Entwicklung zum Prosumenten nimmt zu, also Personen, die gleichzeitig und nacheinander Konsumenten und Produzenten von Energie sind.“ Aktuelle Beispiele für Prosumismus seien Solarpanels auf dem Haus, ein Wohnblockheizkraftwerk im Keller, Anteile an Energiegenossenschaften oder das Engagement bei einer energieautarken Wohnbaugesellschaft. So wie Häuser durch den wissenschaftlichen Fortschritt von Energieverbrauchern zu Energieproduzenten werden, entwickelten Menschen den Ehrgeiz, soviel Energie herzustellen wie sie selber benötigen.

In Deutschland ist nach Angaben des Bundesverbandes für Solarwirtschaft (BSW) die Zahl der Prosumenten, die per Photovoltaik Strom selbst erzeugen und vor Ort konsumieren, von Februar 2019 bis Januar 2020 um rund 100.000 gestiegen. Das geht aus einem Vergleich des Energiekonzepts „Prosuming“ zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien und Österreich hervor. ++ (pl/mgn/29.03.21 – 041)

update+++ Bündnis Bürgerenergie (BBEn) e.V. vom 31.03.2021 “ In Deutschland setzt die Bundesregierung auf den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien, wobei der Übertragungsnetzausbau allerdings seit Jahren seinen Zielen hinterherhinkt. Immer mehr Politiker*innen nutzen dies als Argument zur Blockade einer schnellen Energiewende. Anreize für eine dezentrale und verbrauchsnahe Energiewende (z.B. Energy Sharing aus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II) wurden bislang hingegen ignoriert. Am 28. April stellen wir auf den Berliner Energietagen gemeinsam mit den EWS Schönau eine neue Studie der TU Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vor. Die Studie verdeutlicht, dass eine stärkere Berücksichtigung verbrauchsnaher Erzeugung sowie eine integriertere Betrachtung machbar ist. Und dies bringt Vorteile für die Verteilung der Wertschöpfung und die Teilhabe an der Energiewende mit sich. Die Online-Veranstaltung Dezentrale Energiewendeoffensive statt Netzblockadeauf den Berliner Energietagen besteht aus der Vorstellung der Studienergebnisse sowie eines Praxisbeispiels zu den Chancen und Herausforderungen lokaler Energiegemeinschaften. Im Anschluss findet eine zugehörige Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Umwelt, Bürgerenergie und Politik sowie ein intensiver Austausch mit dem Publikum statt.

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