Großhabersdorf, den 31.Dezember 2025. Ein Interview mit igenos Vorstand Georg Scheumann. Herr Scheumann, Sie sind als ehemaliger Vorstand einer Raiffeisenbank ein ausgewiesener Fachmann. Sie haben das Buch „Quo vadis Volks- und Raiffeisenbanken?” sowie mehrere Bücher zur Rechtsform der Genossenschaft, zu deren Besonderheiten und zur Handhabung durch Genossenschaftsbanken veröffentlicht.

Deshalb unsere Frage was halten Sie von der derzeitigen Situation der Volks- und Raiffeisenbanken? Meiner Meinung nach sind die Zeiten vorbei, in denen die Genossenschaftsbanken bei Wirtschaftskrisen als Fels in der Brandung galten. Es mehren sich die Meldungen, dass die genossenschaftsinterne BVR-Institutssicherung immer häufiger eingreifen muss, um Problembanken zu retten. Die dabei verursachten Schäden werden immer größer. Wenn berichtet wird, dass allein für die Rettung von drei Genossenschaftsbanken 1,3 Milliarden Euro aufgebracht werden mussten, dann ist das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, denn ständig tauchen neue Problemfälle auf. Zwar wird krampfhaft versucht, dies durch Sanierungszusagen und weitere Fusionen zu vertuschen, doch auf Dauer wird dies immer schwieriger werden.

Wie meinen Sie das? Für Genossenschaftsverbände und BVR kann durchaus der Satz „Die Geister die ich rief, ich wird sie nicht mehr los“ aus Goethes berühmter Ballade „Der Zauberlehrling“ zutreffen. Er drückt aus, dass man ein Problem oder eine Situation, die man selbst begonnen hat, nicht mehr unter Kontrolle bekommt, ein geflügeltes Wort für außer Kontrolle geratene Konsequenzen.

Wie konnte das geschehen? Mit der Gründung des BVR im Jahr 1972 und der massiven Einflussnahme auf die Novelle des Genossenschaftsgesetzes 1973 wollten sie im Spiel der Großbanken mitspielen und Macht und Einfluss gewinnen. Dafür haben sie die Grundsätze der guten genossenschaftlichen Idee, die hinter den Volks- und Raiffeisenbanken steht, verraten.

Warum sprechen Sie von „verraten“? Genossenschaft bedeutet Mitgliederförderung. Auch bei Banken. Die unmittelbare Förderung der Mitglieder sollte im Vordergrund stehen und auf Gewinnerzielung soll bei Geschäften mit Mitgliedern verzichtet werden um den Mitgliedern unmittelbare Vorteile zu verschaffen. Die Einnahmen der Mitglieder sollen erhöht bzw. deren Ausgaben verringert werden. Doch die kreditgenossenschaftliche Verbände nebst BVR haben sich von diesem edlen Ziel abgewandt, fordern stattdessen Gewinnmaximierung und Rücklagenanhäufung. Sie wussten, dass dies nur mit großen Einheiten geschehen konnte, um dieses Ziel zu erreichen wurden seit 1972 ca. 7.000 Volks- und Raiffeisenbanken geopfert und wegfusioniert.

Die kreditgenossenschaftlichen Verbände betrachten sich schonlange nicht mehr als dem Genossenschaftsrecht dienende Verbände. Ebenso wie der BVR betrachten sie sich als reine Bankenverbände und verfolgen eigene Ziele. Ziele, bei denen seit Jahrzehnten eine unmittelbare Mitgliederförderung nicht mehr vorkommt und an deren Stelle Einflussnahme auf die Genossenschaften und deren Vorstände trat. Einzig dem Ziel dienend, finanzielle Macht und politische Einflussnahme ausüben zu können. Ich habe dies in meinem Buch „Machenschaften“ das hier kostenlos zum Download bereitsteht, ausführlich beschrieben.

Was wird das Jahr 2026 bringen? Nun, das Problem ist, dass durch tausende von Fusionen zwischenzeitlich Genossenschaftsbanken geschaffen wurden, die ihre Geschäftstätigkeit immerweiter ausdehnen müssen um Gewinne zu erzielen. Das Geld der Kunden muss angelegt werden, um selbst Geld zu verdienen. Und wo ist es in einer Niedrigzinsphase, die seit Jahren anhält, am besten anzulegen. In Immobilien, in Beteiligungen und am Finanzmarkt. Und diese Anlagen fallen ihnen nun auf die Füße. ch schätze, dass wir im Jahr 2026 von weiteren Sanierungsfällen hören werden. Die vom BVR geplante Verschärfung der Satzungsbestimmungen der BVR-Institutssicherung GmbH wird dies nicht verhindern, im Gegenteil.

„Es kann durchaus passieren, dass Banken künftig früher oder eher zu einem Präventionsfall werden als bisher, weil die Sicherungseinrichtung zeitiger eingreift“ sagte laut Handelsblatt BVR-Vorstand Daniel Quinten in einem Interview. Was denken Sie darüber? Wir können davon ausgehen, dass in 2026 die Zahl der Firmeninsolvenzen odedie Verlagerung von Firmen ins Ausland und damit auch die Zahl der Arbeitslosen weiter steigen wird. Die Zahl der Geschäftsaufgaben wird weiter steigen. Immer mehr Firmen im deutschen Mittelstand machen dicht – endgültig. Büroimmobilien aber auch private Immobilien sind davon betroffen und verlieren immer mehr an Wert, weil sie leer stehen. Es kann also durchaus passieren, dass Banken künftig früher oder eher zu einem Präventionsfall werden, weil die Sicherungseinrichtung zeitiger eingreift. Die Vorstände der Genossenschaftsbanken leben daher in ständiger Anspannung, vielleicht auch in Angst, denn sie müssen die Vorgaben der BaFin erfüllen, sie müssen Gewinne erzielen aber dabei Risiken ausschießen um Verlustevermeiden. Zusätzlich müssen sie stets auf der Hut sein, nichts zu tun, was Pflichtprüfungsverband und BVR nicht gefällt. Das Prüfungsmonopol gibt den Prüfern die Möglichkeit, Immobilienwerte und Kreditsicherheiten abzuwerten wodurch oft Verluste entstehen und BVR und BaFin informiert werden, ohne dasssich der Vorstand dagegen wehren kann. Und wenn der BVR eingreift, weil plötzlich durch solche Verluste ein Stützungsfall vorliegt, dann ist einer erstenForderungen, dass alle oder nur einer der bisherigen Vorstände etlassen werden muss.

Hat das eigentlich noch irgendwas mit Genossenschaft zu tun? Nein, der eigentliche Genossenschaftsgedanke ist bei den Vorständen aber auchbei den Genossenschaftsverbänden schon lange in Vergessenheit geraten. Ich bin sogar der Meinung, dass bei den Genossenschaftsverbänden sich keiner mehr um die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes kümmert und auch viele Prüfer nur noch wenig Ahnung vom Genossenschaftsgesetz haben Der BVR, der sich als reiner Bankenverband sieht, hat sowieso kein Interesse an Mitgliederförderung und interessiert sich nur für das Bankgeschäft. Deshalb gehe ich von meiner,auch öffentlich vertretenen Meinung nicht ab, dass die Rechtsform Genossenschaft für das von BVR und Genossenschaftsverbänden den Volks- und Raiffeisenbanken aufgezwungene Universalbankgeschäft die falsche Rechtsform ist und die noch verbliebenen rund 650 Volks- und Raiffeisenbanken schon längst in die Rechtsform der AG hätten wechseln müssen. Ich bin überzeugt, dass bei einem Rechtsformwechsel viele heutige Genossenschaftsbanken sich anderen,freien Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die nicht aus der Genossenschaftsorganisation stammen, zuwenden würden. Doch ein Rechtsformwechsel wird aus Eigeninteresse der Verbände und des BVR massiv verhindert, weil die genossenschaftlichen Prüfungsverbände dadurch ihreMonopolstellung verlieren, ihre fest eingeplanten zwei bis dreistelligen Millioneneinnahmen pro Jahr verlieren und sich zusätzlich dem freien Wettbewerb stellen müssten. Herr Scheumann, herzlichen Dank für dieses Interview und für Ihre Meinung.

Entwicklung der Genossenschaftsbanken, Fusion Alternativen, Genoverbände
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