Italiens Genossenschaften besonders innovativ und erfolgreich

Bolzano/Rom, 30. Juli 2021 (geno). Italiens Genossenschaften sind besonders innovationsfähig und tragen mit 28,6 Milliarden Euro am italienischen Bruttosozialprodukt bei. Das stellt der unumstritten prominente Genossenschaftsexperte und Wirtschaftspublizist Oscar Kiesswetter in einer aktuellen Untersuchung fest. Sogar aus den Finanz- und Konjunkturkrisen zu Beginn des dritten Jahrtausends seien sie gestärkt hervorgegangen. Das bestätige das antizyklische Verhalten der italienischen Genossenschaften. 
Kiesswetter, der auf lange Zeit in der Vergangenheit bestehende Mängel im italienischen Statistik-System hinwies, sieht in Giuseppe Mazzini den entscheidenden Motor des italienischen Genossenschaftssektors. Nach Ansicht dieses Vordenkers müssen genossenschaftlich agierende Arbeiter über die engen Grenzen ihrer Forderungen nach höheren Löhnen hinaus auch in der Verwaltung ihres Unternehmens aktiv werden und dafür die demokratische Verantwortung übernehmen. 

Kiesswetter schreibt in dem Dokument, dass die in eigenen Produktionsstätten organisierten Arbeiter laut Mazzini eine soziale und demokratische Weiterentwicklung des rein kapitalistischen Unternehmertums verwirklichen. „Die Annäherung des Proletariats an die bürgerliche Mittelschicht sollte nicht mit Streikmaßnahmen und reinem Klassenkampf erfolgen, sondern durch die gemeinsame Initiative freier Bürger, die den individuellen Egoismus wirksam überwinden, indem sie eine neue soziale Organisation verwirklichen. Die Eigeninitiative der Arbeiter, die sich in genossenschaftlichen Unternehmen organisieren und darin aktiv werden, war nach der Lehre von Mazzini der richtige Weg, um Armut, Bildungsrückstände und soziale Ungerechtigkeiten zu überwinden“, so der Südtioler Genossenschafts-Fachmann.
In seiner detailreichen Darstellung weist Kiesswetter darauf hin,
dass die statistischen Verwaltungen Italiens inzwischen ihre Schwächen beim Erfassen und Bewerten des kooperativen Sektors überwunden haben. Das belege eine im Jahr 2019 veröffentlichte umfassende Bestandsaufnahme der Genossenschaften, die aus dem italienischen Zentralinstitut für Statistik ISTAT stammt. Dadurch sei erstmals eine zuverlässige Datenbasis entstanden, die Unstimmigkeiten und Unvollständigkeiten früherer Untersuchungen überwunden hat. Sie enthalte nicht nur Zahlenmaterial über verschiedene genossenschaftliche Unternehmensmodelle, sondern analysiere auch wichtige betriebliche Aspekte. Diese Publikation mit dem Titel „Struttura e performance delle cooperative italiane“ sei nicht nur ein rein statistisches Handbuch, sondern ein Forschungsbericht, der den Stellenwert der Genossenschaften in verschiedenen Wirtschaftssektoren mit den Daten anderer Unternehmensformen vergleicht. Die Datenbank beruhe auf der Situation des Jahres 2015 und sei nach den Vorgaben der EU-Verordnung Nr. 177/2008 erstellt worden.
Aus den Zahlen geht hervor, dass es im Jahr 2015 insgesamt 59.027 aktive Genossenschaften in Italien gegeben hat, die im Jahresdurchschnitt knapp 1,2 Millionen Mitarbeiter hatten. Ihre Wertschöpfung umfasste 28,6 Milliarden Euro – etwa vier Prozent der gesamten Wertschöpfung Italiens. Dabei blieben die Genossenschaften im Banken- und Versicherungsbereich noch unberücksichtigt. Im Vergleich zu Italien ist Deutschland mit seinen derzeit rund 7.700 Kooperativen als ein in fast jeder Beziehung „genossenschaftlicher Zwerg“ einzustufendes Konstrukt zu bezeichnen. ++ (in/mgn/30.07.21 – 072)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

genossenschaftlicher Sektor, Italien, Oscar Kiesswetter
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