Kollektive Selbstverwaltung durch Partisanenkrieg

Kiew/Köln, 20. April 2020 (geno). „Auf der schwarzen Flagge stand geschrieben: Anarchie ist die Mutter der Ordnung.“ So leitet der Deutschlandfunk am Montagabend ein Feature über den ukrainischen Anarchisten Nestor Machno ein, der von der Zeitschrift „Syndikalist“ im Jahr 1922 als sagenhafte Gestalt gekennzeichnet wurde. Machno habe „einen kompromisslosen Partisanenkrieg für die kollektive Selbstverwaltung der Bauern und Arbeiter in einer herrschaftsfreien Gesellschaft ohne Staat“ geführt. Nach der russischen Revolution von 1905 hatte er sich als 17jähriger den Kommunistischen Anarchisten angeschlossen und sich im März 1917 an zahlreichen revolutionären Unternehmen beteiligt. Nach der Februarrevolution war der zu lebenslänglicher Haft Verurteilte aus dem Gefängnis entlassen worden. Er wurde Vorsitzender des Arbeiter- und Bauernrates und organisierte eine 60 Mann starke bewaffnete Gruppe. Diese von Machno kommandierte „Schwarze Garde“ enteignete mittels eines entsprechenden Dekrets dem Staat, der Kirche und Großgrundbesitzern gehörendes Land, verteilte es an die armen Bauern. In den Wirren des Bürgerkriegs von 1917 bis 1921 führte er seine selbsternannte „Revolutionäre Aufständische Armee der Ukraine“ als anarchistischen Kampfverband gegen „alle Feinde des Volkes“. Im Dezember 1919 operierte die schlagkräftige, inzwischen auf über 60.000 Infanteristen und 20.000 Kavalleristen angewachsene Streitmacht auf einem Gebiete von der Größe des heutigen Bayern. Während er von der sowjetischen Geschichtsschreibung zum Banditen degradiert wurde, verehren ihn die Anarchisten in aller Welt als den ukrainischen Che Guevara. Machno, der sich als Gegner der Diktatur des Proletariats profilierte, plädierte leidenschaftlich für die Freiheit und versuchte im Südosten seines Landes eine herrschaftsfreie Gesellschaft aufzubauen. Der deutsche Anarchist Rudolf Rocker nennt Machno den Mitverfasser der „Organisatorischen Plattform der libertären Kommunisten und den Lieferanten des Grundlagentextes des Plattformismus, einer Strömung des Anarchismus“.

Wenig schmeichelhaft fällt das Urteil von Anna Saksaganskaja aus. Für sie war Machno „schlicht ein Psychopath, ein seit Kindesbeinen gewalttätiger Mensch, der den jeweiligen Umständen entsprechend seine Krankheit auslebte.“ Bestehende Rätsel oder Unkenntnis über Nestor Machno ließen sich bei gewisser Anstrengung beheben. Die Dokumentenlage ist nämlich recht gut. So ist beispielsweise am 26. März 1920 den Bolschewiki das Tagebuch von Machnos Ehefrau, Galina A. Kuzmenko, in die Hände gefallen. Es ist bis heute erhalten geblieben. ++ (sv/mgn/20.04.20 – 060)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

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