Castro stärkt Kubas 400 experimentelle Genossenschaften – Privattaxis dürfen sich Kooperativen angliedern

Havanna, 16. August 2017 (geno). Neuerdings haben private Taxifahrer in Havanna die Möglichkeit, sich an die beiden im Mai dieses Jahres gegründeten Kooperativen ihrer Branche anzugliedern. Diese Taxigenossenschaften haben rund 100 Fahrzeuge und  wurden vom Staat als günstigere Konkurrenz etabliert. Sie sind experimentelle Genossenschaften und gehören zu der im Jahr 2013 aus der Taufe gehobenen  Kategorie der nicht agrarischen Genossenschaften (CNA). Wie die Genossenschaftstaxis müssen die angegliederten Privattaxis damit die Preisobergrenze von fünf kubanischen Pesos (20 Eurocent) pro Streckenabschnitt einhalten. Rein private Taxis verlangen ungefähr das Doppelte. Im Gegenzug bekommen die mit den Genossenschaften kooperierenden Taxifahrer Zugang zu den Treibstoffkontingenten und erhalten einen 20prozentigen Rabatt beim Kauf von Ersatzteilen.

Mit dieser Regelung bekräftigen Kubas Regierung und Staatschef Raul Castro, dass die politische Führung des Karibikstaates konsequent an dem im April vergangenen Jahres beschlossenen neuen „Sozialismus-Konzept“ und den „Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik 2016 bis 2021″ festhält. Darin wird dem Aufbau eines Genossenschaftsektors außerhalb der Landwirtschaft Priorität eingeräumt. Das betrifft besonders die Bereiche Gastronomie, Bauwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen. Wie das Nachrichtenportal cubaheute.com berichtet, will Raul Castro offenbar das“Haus aufräumen“, bevor er sein Amt als Präsident Kubas an einen Nachfolger abgibt. Er habe das Bekenntnis seiner Regierung zu den mehr als 500.000 Arbeitern sowie den 400 neuen Genossenschaften außerhalb der Landwirtschaft bekräftigt. Der kubanische Präsident sagte wörtlich: „Wir haben weder die Entfaltung und Entwicklung der Arbeit auf eigene Rechnung aufgegeben, noch werden wir das mit den experimentellen Genossenschaften außerhalb der Landwirtschaft (CNoA) tun. Wir werden weder zurückgehen noch stehenbleiben und auch keine Vorurteile gegenüber dem nichtstaatlichen Sektor dulden. Aber es ist unumgänglich, die Gesetze zu beachten, das bisher Erreichte zu konsolidieren, die nicht wenigen, positiven Aspekte auszudehnen und die Gesetzesverstöße und andere Auswüchse entgegen dem geltenden Rahmen zu bekämpfen. Der General-Kurs wurde vor vier Wochen auf der neunten Nationalversammlung Kubas bestätigt.

Dass die bahnbrechende Installation von „Genossenschaften außerhalb der Landwirtschaft“ kein Zuckerschlecken, sondern ein „Sprung ins kalte Wasser“ ist, beschreibt die Journalistin Kateryn Felipe Gonzales von der Tageszeitung „Granma“. Alles gehe langsamer voran. „Man braucht nicht zu glauben, dass die nichtagrarischen Genossenschaften das achte Weltwunder der Antillen sind“. Es gehe um versuchsweise Verbesserungen in Richtung einer staatlichen Dezentralisierung und des sozialen Wohlstandes. Sich demokratisch zu organisieren und über ein bisschen Kapital zu verfügen, bedeute noch keinen Erfolg. Wenn man zudem bedenke, dass fast 80 Prozent der CNA aus dem staatlichen Sektor entstanden sind, sei verständlich, dass alte Gewohnheiten und Mentalitäten nicht so schnell zu überwinden sind. Im Jahr 2015 habe es bei den CNA den geringsten Zuwachs gegeben. Nur 22 wurden neu gegründet, während es in den beiden Vorjahren noch 198 und 147 waren. Das habe Castro zu der Empfehlung bewogen, nicht immer neue zu bilden, sondern die bereits bestehenden Genossenschaften dieser Couleur graduell aufzubauen. Seit Mai 2015 prüfe die Ständige Kommission zur Umsetzung und Weiterentwicklung der wirtschaftspolitischen Leitlinien mehr als 200 neue Vorschläge. Das geschehe ohne Eile.

Die Entwicklung der CNA ist bis Dezember 2015 mit Krediten der Nationalbank im Umfang von 223 Millionen kubanischen Pesos unterstützt worden. Nach Angaben der Banco Metropolitano sind diese Darlehen an 324 Genossenschaften gegangen, davon 187 in der Hauptstadt Havanna. DIe Einkünfte der CNA-Mitgliedern haben sich erhöht, das Angebot habe sich verbreitert und die Geschäftsdaten der Genossenschaften sind gut. Dennoch hat eine Studie des Centro de Estudios de la Economia Cubana und der Asociacion Nacional de Economistas y Cantadores de Cuba in Havanna und Artemisa festgestellt, dass es diesen Unternehmen vor allem an einem fehlt: dem Geist der Genossenschaft. Angesichts dessen hat Wirtschafts- und Planungsminister Marino Murillo jetzt darauf hingewiesen, dass die bürokratischen Hürden für diese neuen Akteure noch immer zu hoch sind. Dazu kämen die Schwierigkeiten bei den Zulieferungen, die Tendenz zu Preiserhöhungen bei Produkten und Dienstleistungen sowie die immer noch ausstehenden Veränderungen bei den gesetzlichen Grundlagen der CNA. ++ (cu/mgn/16.08.17 – 164)

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