Genossen – was sind denn das

Was ist mit genossenschaftlicher Identität gemeint? Was verstehen wir unter Genossenschaftlichkeit? Hat Genosse etwas mit Genossenschaften zu tun? Oder vielleicht, noch schlimmer mit Sozialismus? Welche Bedeutung haben Genossenschaften in Deutschland oder in Europa? Um was geht es überhaupt? Wieso werden Genossenschaften in Deutschland nicht richtig wahrgenommen? Sicher ist: Je mehr sich die Genossen mit der Rechtsform der Genossenschaft beschäftigen, desto weniger lassen sie sich manipulieren. Das kann unbequem werden.

Es gab ja mal Zeiten, da war der Genosse einfach der Gefährte oder Kamerad, jemand auf den man sich verlassen konnte. Mit dem Genossen fuhr man auf die Reise, mit dem Bettgenossen teilte man das Bett und mit dem Leidensgenossen zusammen ließ man sein Leben auf dem Schlachtfeld oder machte schwere Prüfungen durch. Wer zu einer bestimmten Zeit lebte, war Zeitgenosse und wer aus der Schweiz kam, ein Eidgenosse. Genosse kam von „genießen“, der Genosse war also jemand, mit dem man gemeinsam aus einer Sache nutzen zog. 

1875 wurde der Begriff in der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands erstmals in Verbindung mit den Parteifreunden verwendet.  Am 23. März 1889 wurde  im Reichstag erstmals der Schutz der Genossen vor  den Verwaltungsorganen diskutiert. 

Die Nationalsozialisten übernahmen den Begriff, wo er sich im Wort „Parteigenosse“ und „Volksgenosse“ wiederfand. Heute steht er vor allem für die Anhänger linksgerichteter Bewegungen. Die DDR kannte die offizielle Anrede „Genosse“ für Amtsträger oder die Polizei, und die Politiker wandten sich an die Genossinnen und Genossen der Partei. Auch die Sozialdemokratie nutzt bis heute den Begriff für ihre Mitglieder, Ex-Kanzler Gerhard Schröder wurde als „Genosse der Bosse“ verspottet, und die Anarchisten ziehen mit ihren Genossen in den Kampf gegen Unterdrückung. 

Genossen waren aber auch lange Zeit die Mitglieder von Unternehmen, die in der Rechtsform Genossenschaft am Markt bestehen. Es ist zu vermuten, dass Raiffeisen und Co., welche in den 60iger Jahren des 19. Jhs. die Genossenschaftsbewegung in Deutschland begründeten, diesen Begriff mit Bedacht wählten, denn es ging ja um Nutznießung, Teilhabe, Transparenz und Vertrauen. Von dort aus dürfte der Begriff in die Parteilandschaft gekommen sein, da die Genossenschaftsbewegung Auswirkungen auf die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaftsbewegung hatte. 

Heute ist der Begriff des Genossen von der Nutznießung entkleidet, sondern mit der politischen Konnotation verbunden. Daher wurde der Begriff „Genosse“ 2006 aus dem Genossenschaftsgesetz (GenG) getilgt. Ob diese Entscheidung dazu beigetragen hat die genossenschaftliche Identität zu fördern, mag bezweifelt werden. Zwar sind Genossenschaftsmitglieder durchaus wirtschaftlich miteinander verbundene Gefährten, aber da dieses zumeist ohne eine Weltanschauung erfolgt, sind sie heute einfach nur Mitglieder oder Genossenschaftsmitglieder. Das passt nicht nur dazu, dass es durchaus Konzerne gibt, welche unter der Rechtsform Genossenschaft firmieren, sondern auch der Begriff Genossenschaft international ungebräuchlich ist. Hier redet man von Coops, Cooperatives und die Mitglieder sind die Members.

Genosse
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