Oikocredit-Genossenschaft verlässt eurozentristische koloniale Karthographie

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Stuttgart, 6. September 2022 (geno). Die weltweit tätige Genossenschaft Oikocredit ändert ihr Weltbild und verlässt den bisher europäischen, kolonial geprägten Blick auf die Weltkarte. Dazu legt sie die bislang verwendete Mercator-Projektionskarte beiseite und macht die sogenannte Gall-Peters-Projektion zum alleinigen Maßstab ihrer Betrachtungsweise. Das teilte jüngst Nina Alff vom Oikocredit-Förderverein Baden-Württemberg mit. Die Weltkarte in der Gall-Peters-Projektion stelle alle Länder in der richtigen Größe im Verhältnis zueinander dar. Diese Ansicht sei für Oikocredit geeignet, weil so ein ausgewogeneres und weniger eurozentristisches Weltbild gefördert werden kann.

Seit fast 500 Jahren ist die Mercator-Projektion die Norm für Weltkarten und wird immer noch häufig in Atlanten, Schulbüchern und an Universitäten verwendet. Der flämische Karthograph Gerardus Mercator entwarf die Karte im Jahr 1569. Die moderne Karthographie hat ihren Ursprung in der Zeit des europäischen Kolonialismus, als Karten für die Seefahrt auf den Weltmeeren unabdingbar waren. Die Mercator-Karte vergrößert Europa und rückt es in den relativen Mittelpunkt der Erdkarte und verschiebt den Äquator nach unten.

Die Gall-Peters-Projektion ist nach James Gall und Arno Peters benannt. Gall erläuterte die Projektion 1855 auf einem Wissenschaftskongress und veröffentlichte 1885 dazu eine Abhandlung. Erst in den 1970er Jahren wurden die Gall-Peters-Karten einem breiteren Publikum bekannt. Dabei haben die relativen Proportionen der Landmassen Vorrang. Damit wird der der Mercator-Karte innewohnende Eurozentrismus überwunden, was an sich bereits einen Paradigmenwechsel darstellt. Der Karthograph Arno Peters hatte 1973 Mercators Karte mit den Worten kritisiert: „Sie überbewertet den weißen Mann und verzerrt das Bild der Welt zum Vorteil der damaligen Kolnialherren.“

Oikocredit ergänzt in der Pressemitteilung, dass die Gall-Peters-Karte ein hilfreiches Korrektiv zu den Verzerrungen der traditionellen Karten darstellt. Damit werde weit über die karthographische Genauigkeit hinausgegangen und „unser“ Weltbild in Frage gestellt. Es werden überzeugende Beispiele genannt: Auf der Mercator-Karte scheint der afrikanische Kontinent genauso groß zu sein wie Grönland. In Wirklichkeit könnten 14 grönländische Inseln in die Landmasse Afrikas passen. Weiterhin lässt die Mercator-Karte Südamerika so groß wie Europa erscheinen, obwohl Südamerika real fast doppelt so groß ist. Zudem ist nach Mercator Finnland von Norden bis Süden länger als Indien. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. ++ (kt/mgn/06.09.22 – 137)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

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