Genossenschaftsverbände: Fusionen ohne Wertermittlung und Wertausgleich?

Bullay, den 15.05.2022/igenos-intern. Das Geschäftsmodell Bankgeschäft in der Rechtsform eingetragene Genossenschaft befindet sich am Scheideweg. Es geht und das große Ganze, den kooperativen Wandel, die Zeitenwende. Auch die Genossenschaftsbanken müssen sich auf die Genossenschaftsidee zurückbesinnen, welche die Bedürfnisse des Genossenschaftsmitgliedes vor Ort befriedigen. igenos fordert  einen sofortigen radikalen Kurswechsel und den Stopp der unsinnigen Zusammenführung vieler kleinerer Bankgenossenschaften zu immer größeren Milliardenbanken. Größe ist nicht die richtige Antwort auf die digitale Transformation. Im Gegenteil. Das Wundermittel für das genossenschaftliche Marktwesen heißt Diversifikation, Kooperation, schlanke Strukturen und ein neuer, genossenschaftlich geprägter Führungsstil. Ohne eine radikale Änderung der strategischen Ausrichtung verschlafen die Genossenschaftsbanken nicht nur den Anschluss an die schöne neue FinTec-Welt, sie riskieren auch ihre Existenzberechtigung als Rechtsform. Dieser Beitrag richtet sich an die betroffenen Genossenschaftsorgane, aber auch an die verantwortliche Prüfungsverbände und deren für die Qualitätssicherung zuständige Aufsicht. (siehe hierzu §§ 63 f und g GenG)

Sprechen wir zunächst von der Rechtsform. Die vom BVR vorgegebene Fusionspolitik war zu keinem Zeitpunkt mit den Interessen der Genossenschaftsmitglieder vereinbar. Die Strukturbereinigungen wurde am grünen Tisch beschlossen und mit Unterstützung der BaFin durchgesetzt. Die Ergebnisse widersprechen den Grundsätzen  der genossenschaftlichen Teilnahme und Teilhabe. „Druckfusionen“ waren zu keinem Zeitpunkt mit der  Rechtsform Genossenschaft zu vereinbaren. Das  Märchen von den sinkenden Erträgen in der Niedrigzinsperiode als Antrieb für weitere Fusionen, lässt sich zuletzt anhand der milliardenschweren Rückstellungen in den „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ widerlegen. Auch dem  vielzitierten europäischen Regelwerk hat sich der BVR  selbst unterworfen.  Eine lokale Genossenschaftsbank braucht weder mit Aktien noch mit Derivaten zu handeln. Diese Geschäfte kann die Bank im genossenschaftlichen Verbund vermitteln und von den Synergieeffekten einer Zusammenarbeit profitieren.  Aber das ist nur ein Teil. Es geht um die rasante Entwicklung des Marktumfeldes, den Wertewandel hin zur digitalen Filiale und den damit verbundenen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Es geht um ein schnell wachsendes digitales Ökosystem und einen sich immer weiter verkürzenden Produktlebenszyklus mit immer schnelleren „time to market“  Intervallen. Digitale Plattformen der FinTechs  übernehmen die komplette Auftragsbearbeitung standardisierter Bankprodukte. Entscheidungen werden  auf der der Basis von Logarithmen und Big Data getroffen.  

Darum die Frage: Ist die BVR Strategie von gestern die passende Antwort auf den digitalen Wandel, die Welt von morgen? „Retail  Banking goes digital“. Die digitale Transformation vereinfacht und beschleunigt den Zahlungsverkehr und  bringt neue „Global Player“ ins Spiel, die systemfremd sind. Paypal ist als eine Tochter der Handelsplattform Ebay gestartet. Apple hat mit Apple Pay ein eigenes Bezahlsystem. Kleine alternative Bezahlplattformen, wie Circle, oder Kryptohandelsplattformen, wie Coinbase, entwickeln sich rasant. Ein Zauberwort heißt zudem Blockchain. Die  Bank wird zum Fremdwort.

Und noch einmal. Jede weitere Fusion ist ein völlig unnötiger Zwischenschritt, der viel Zeit kostet und Kapital bindet. Er ist außerdem damit verbunden, dass unter den Augen der Staatsaufsicht eine Enteignung der jeweils  Betroffenen unter den 18 Millionen Bankgenossen stattfindet.  Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände unterliegen zwar einer regelmäßigen und gesetzlich verordneten Qualitätsprüfung. Diese erweist sich jedoch zunehmend als untauglich, da sie nur die Formalien prüft, nicht aber das Handeln gemäß Genossenschaftsgesetz.  Eine  Qualitätsprüfung aus Mitgliedersicht impliziert, dass sich die Eigentümer der Genossenschaft darauf verlassen können, dass ihr zuständiger Genossenschaftsverband dahingehend geprüft wird, ob er die Spielregeln(*) der genossenschaftlichen Selbstverwaltung  einhält und umsetzt. Somit sind Fusionen ohne Wertermittlung und Wertausgleich für die betroffenen Genossenschaftsmitglieder unzumutbar. Wenn die Verbände gegen die Interessen der Genossenschaftsmitglieder handeln und die Organe der Genossenschaft korrumpieren, ist das System marode. Die BVR Fusionspolitik ist Teil einer Unternehmenspolitik des vergangenen Jahrhunderts, bei der man versuchte, lokale Marktanteile zu erhöhen und dadurch den Mittelstand der Region noch besser mit Finanzmitteln zu versorgen. Dieses Konzept hat nicht nur die Besonderheiten der Rechtsform Genossenschaft vorsätzlich unterschlagen, sondern auch die Augen vor globalen Trends verschlossen.
Diese Beitrag basiert auf einer Veröffentlichung in bank-intern aus dem Jahr 2021.

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