Genossenschaftsvermögen tschechischer und slowenischer Minderheiten

Allgemein

Wien, 15. Dezember 2021 (geno). Über das Schicksal genossenschaftlichen Vermögens tschechischer und slowenischer Minderheiten in Österreich während der NS-Zeit gibt eine umfangreiche Untersuchung interessante Erkenntnisse preis. Der Forschungsbericht der Historikerkommission der Republik Österreich unter den Titel „Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich“ enthält aufschlussreiche Informationen über den Umgang mit tschechischen und slowenischen Genossenschaften.

Nach einer Volkszählung im Jahr 1934 lebten in Österreich 51.866 Tschechen und Slowaken. Die Mehrzahl lebte in Wien. Es bestanden eigenständige Strukturen an Institutionen und Organisationen. Neben 300 bis 400 kleinen Vereinen gab es in der österreichischen Hauptstadt national orientierte Kredit- und Verbrauchergenossenschaften. Sie wurden dem Rapport zufolge nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich germanisiert, gleichgeschaltet oder liqudiert.

Die Historikerkommission teilt mit, dass im Jahr 1938 vier tschechische Geldinstitute als Kreditgenossenschaften mit Sitz in Wien tätig waren. „Ihre Umgestaltung, in deren Lauf sie ihren nationalen Charakter verloren, verlief im Rahmen des sogenannten Neuaufbaus und der Rationalisierung des deutschen Genossenschaftswesens mit der ‚Ostmark'“. Das geschah unter dem Motto „Germanisierung“. Dieses Schicksal teilten auch tschechische Verbrauchsgenossenschaften, die als Institution mit einem radikal linken Umfeld betrachtet wurden.

Die slowenischen Genossenschaften – es waren 43 und der Verband Kärtner Genossenschaften/Zveza koroskih zadrug – kamen zunächst unter kommissarische Verwaltung und sollten „abgewickelt“ werden. Die Mehrzahl (22) wurde mit „deutschen“ Genossenschaften vor Ort verschmolzen und verlor damit ihre Rechtspersönlichkeit. Zwölf wurden „übernommen“, also unter „deutsche“ Führung gestellt. Vier Genossenschaften einschließlich des Verbandes sollten liquidiert werden und befanden sich zu Kriegsende noch im Stadium der Liqudation.

Die „Abwicklung“ des slowenischen Genossenschaftswesens lag in den Händen des Verbandes der Südmährischen landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen Graz. Dabei übte das berüchtigte „Ortsdreieck“ zwischen Bürgermeister, Ortsbauernführer und NSDAP-Ortsgruppenleiter seinen unheilvollen Druck aus. ++ (at/mgn/15.12.21 – 156)

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