Freiheitlich-genossenschaftliches Mondragon steht für Wirtschaftsdemokratie

Berlin, 8. Dezember 2018 (geno). Das in der Weimarer Reichsverfassung proklamierte Recht auf Wirtschaftsdemokratie wird von drei Eigenschaften charakterisiert. Eine davon besteht in einer Mischform von individuellem und gemeinschaftlichem Eigentum, das von einer freiheitlich-genossenschaftlichen Vereinigung repräsentiert werden kann.

Eindrucksvollstes Beispiel dafür in der ökonomischen Praxis ist die weltweit operierende spanisch-baskische Kooperative Mondragon. Das stellte Prof. Tilo Wesche am Sonnabend in Berlin zum Ende einer dreitägigen Fachkonferenz von Politikwissenschaftlern, Historikern und Juristen unter dem Titel „Innovation und Aufbruch“ über verfassungsrechtliche Grundaspekte der ersten demokratischen Konstitution von 1919 fest.

Allerdings müsse vermieden werden, das Vorbild Mondragon zu idealisieren. Immerhin hätten auch die Mondragon-Akteure unter den jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrisen erhebliche Kratzer und Schürfwunden erlitten. Auch der hohe Anteil von reinen Angestellten in der ansonsten von Genossenschaftsmitgliedern getragenen Unternehmung habe einige ungünstige Wirkungen ausgelöst. Der Hochschullehrer und Philosoph von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg wies in einem Gespräch mit der Redaktion GenoNachrichten darauf hin, dass das Genossenschaftsmodell eine kaum vorstellbare Vielfalt wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Aktionsfelder eröffnet. Die Weimarer Verfassung habe dazu in Deutschland das Fundament gelegt. Immerhin durchflutete eine genossenschaftliche Gründungswelle die Weimarer Republik. Jährlich waren durchschnittlich rund 5.000 Neugründungen zu verzeichnen.

Welcher Stellenwert sozialen Grundrechten als Neuerung in der Verfassung der Weimarer Republik allgemein im öffentlichen  Meinungsbild zugeordnet wurde, erläuterte der Berliner Rechtswissenschaftler, Sozialrechtsexperte und Publizist Prof. Eberhard Eichenhofer. Soziale Grundrechte seien in Deutschland verachtet und in der Welt gefeiert worden. In einem leidenschaftlichen Redebeitrag prangerte er an, dass das bundesdeutsche Grundgesetz dieser Weimarer Tradition nicht folgt, in puncto soziale Menschenrechte versagt und einen weißen Fleck hinterlässt. Auf diese Weise werde Völkerrecht, das seit 1948 durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte  (AEMR) manifest ist und gilt, unterlaufen. „Weimar beruht auf der Arbeitsgesellschaft nach dem Motto ‚Wer arbeiten will, soll arbeiten'“, so Eichenhofer. „Hartz-IV lässt grüßen“, fügt er spöttelnd hinzu.

Am Ende der Konferenz bilanziert der Vorsitzende des Vereins Weimarer Republik, Prof. Michael Dreyer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, dass ein redliches, überzeugendes und wissenschaftliches Urteil über die Weimarer Republik und ihre Verfassung nur aus dem Blickwinkel der damaligen Zeit möglich ist. Nur wer sich in diese 1918/19 beginnende Epoche zurückversetzt, könne ermessen, welchen immensen Fortschritt, welche gesellschaftlichen Innovationen und juristischen Potentiale die Verfassung und Republik von Weimar verkörperte.  Allein der nur damals realistische Vergleich mit der unter Otto von Bismarck gültigen Verfassung von 1871 im Kaiserreich eröffne ein Panorama zwei völlig unterschiedlicher Welten. Aus der Weimarer Republik, die in jüngerer und jüngster Vergangenheit zu Unrecht fast durchweg als Negativum und Vorstufe zum Nationalsozialismus eingestuft wurde, seien noch unermessliche Schätze an  positiven und konstruktiven Informationen und Erkenntnissen zu heben. ++ (wr/mgn/08.12.18 – 237)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 27

Weitere Genossenschaftsnachrichten zur Weimarer Republik.