Berlin, den 30.07.25. Heute um 23:59 Uhr endet die Frist für eine Stellungnahme zur Reform des Genossenschaftsgesetzes beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Neben den klassischen Genossenschaftsverbänden beteiligen sich auch diverse Initiativen der Genossenschaftsmitglieder durch eigene Stellungnahmen und konkrete Vorschläge am Gesetzgebungsverfahren. Hierzu zählen u. a. die „Initiative Genossenschaft von unten“, igenos Deutschland e. V. und die AbL Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der es um mehr Transparenz und um die Umsetzung der genossenschaftlichen Werte in Molkereigenossenschaften geht. Die Forderung der Genossenschaftsmitglieder lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Wo Genossenschaft drauf steht, sollte auch Genossenschaft drin sein.“

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Stefanie Hubig, hebt noch einmal hervor: „Die Vereinten Nationen haben 2025 zum ‚Internationalen Jahr der Genossenschaften‚ erklärt. Das ist ein starkes Zeichen für die Kraft der Gemeinschaft – bei der Lösung globaler Herausforderungen, ebenso wie bei alltäglichen Aufgaben. Genossenschaften zeigen, wie wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftlicher Zusammenhalt zusammengehen. Sie schaffen bezahlbaren Wohnraum, sichern regionale Landwirtschaft, halten Bankdienstleistungen auch im ländlichen Raum verfügbar und treiben die Energiewende voran. Die Stärke von Genossenschaften ist die Stärke der Gemeinschaft. Mit unserer Reform machen wir die Genossenschaft mit modernen und zeitgemäßen gesetzlichen Rahmenbedingungen attraktiver.“
Laut BJMV sind auch weitere Maßnahmen geplant, um eine missbräuchliche Verwendung der Rechtsform zu verhindern. Gesetzesänderungen, die in den Jahren 2017 und 2020 vorgenommen wurden, haben bereits Wirkung gezeigt. Diese sollen nun durch weitere punktuelle Regelungen ergänzt werden. Vorgesehen ist unter anderem eine Ausweitung der Rechte und Pflichten der genossenschaftlichen Prüfungsverbände.
Genossenschaften sind immer nur dass, was ihre Mitglieder daraus machen, denn ohne Mitglieder gäbe es keine Genossenschaften.




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Das Genossenschaftsgesetz soll geschwächt werden!
Für Mitglieder von Genossenschaften ist das Genossenschaftsgesetz (GenG) die wesentliche Grundlage des genossenschaftlichen Handelns in der Genossenschaft.
Der Paragraph 18 des GenG definiert nun klar das Rechtsverhältnis und dort steht: „Das Rechtsverhältnis der Genossenschaft und ihrer Mitglieder richtet sich zunächst nach der Satzung. Diese darf von den Bestimmungen dieses Gesetzes nur insoweit abweichen, als dies ausdrücklich für zulässig erklärt ist.“
Damit wird die Bedeutung der Satzung besonders hervorgehoben.
Man spricht auch von der Verfassung der Genossenschaft.
Warum steht nun die Behauptung in der Überschrift?
Aktuell gibt es div. Klageverhandlungen zu Erhöhungen der Nutzungsentgelte in Wohnungsbaugenossenschaften (WBG). Dagegen wehren sich einige Mitglieder, leider nur wenige, aber viele lassen sich einschüchtern, haben einfach Angst sich rechtlich auseinanderzusetzen oder sie haben aufgrund des Alters nicht mehr die Kraft.
Diese Situation nutzen die Vorstände und drücken Nutzungsentgelterhöhungen durch gegen die Vorgaben der Satzung. Denn in den meisten Satzungen der Wohnungsbaugenossenschaften steht fordernd (4 Beispiele):
1. „Die Genossenschaft bildet angemessene Preise für die Überlassung des Gebrauchs von Genossenschaftswohnungen und für die Inanspruchnahme von Betreuungs- und Dienstleistungen. Diese Preise müssen so kalkuliert sein, dass sie eine Kosten- und Aufwandsdeckung sowie die ausreichende Bildung von Rücklagen unter Berücksichtigung der Gesamtrentabilität der Genossenschaft ermöglichen.“
2. “Die Überlassung einer Genossenschaftswohnung begründet ein dauerndes Wohnrecht des Mitgliedes. Das Nutzungsentgelt wird vom Vorstand gemäß den nach § 27 Buchstabe (1) f beschlossenen Grundsätzen festgesetzt. Es ist so zu bemessen, dass die Aufwands- und Kostendeckung einschließlich angemessener Verzinsung des Eigenkapitals sowie die ausreichende Bildung von Rücklagen unter Berücksichtigung der Gesamtrentabilität der Genossenschaft gegeben ist.”
3. “Die Nutzungsgebühren sind vom Vorstand unbeschadet gesetzlicher Vorschriften nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nicht höher als zur Gesamtkostendeckung der Genossenschaft erforderlich einschließlich angemessener Verzinsung des Eigenkapitals sowie der ausreichenden Bildung von Rücklagen und Rückstellungen festzusetzen.”
4. “Die Genossenschaft soll angemessene Preise für die Überlassung des Gebrauchs von Genossenschaftswohnungen bilden, d.h. eine Kosten- und Aufwandsdeckung einschließlich angemessener Verzinsung des Eigenkapitals sowie der ausreichenden Bildung von Rücklagen unter Berücksichtigung der Gesamtrentabilität der Genossenschaft ermöglichen. Ein Anspruch des einzelnen Mitglieds kann hieraus nicht abgeleitet werden.”
Es gibt auch Wohnungsbaugenossenschaften, die keine Erläuterung bzw. Festlegung der Nutzungsentgelte in ihrer Satzung aufgenommen haben. Hier kann man schon über die Rolle der Prüfverbände ins Grübeln kommen. Oder bei einigen Genossenschaften steht SOLL. SOLL ist nicht zwingend.
Das Problem der Erhöhung ist, dass die Vorstände es sich oft leicht machen und sich auf den Mietspiegel beziehen und dass die letzte Erhöhung viel länger schon zurückliegt. Man rechnet auch damit, dass Mitglieder der Meinung sind wie:
– es wird alles teurer
– überall ist die Miete viel höher
– Usw.
Somit stellt sich die Frage: Spielen solche Argumente in einer Wohnungsbaugenossenschaft eine Rolle? NEIN!
Die Wohnungsbaugenossenschaften sind angehalten, keine Gewinne zu erwirtschaften. Die Wohnungsbaugenossenschaften sind angehalten, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Wohnungsbaugenossenschaften sind dazu da, die Mitglieder zu fördern, § 1 (1) GenG:
„soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“
oder in Satzungen steht konkret:
“Zweck der Genossenschaft ist die Förderung der Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung (gemeinnütziger Zweck) der Mitglieder der Genossenschaft sowie die Erhaltung und Weiterentwicklung der Wohnsubstanz.”
Das bedeutet nun: Besteht die Notwendigkeit der Erhöhung des Nutzungsentgeltes in einer Wohnungsbaugenossenschaft, dann ist diese Notwendigkeit den Mitgliedern überzeugend darzustellen. Jedes Genossenschaftsmitglied sollte sich fragen, kennt er/sie diese Notwendigkeit und warum muss die Erhöhung durchgeführt werden.
Kann es sein, dass Wohnungsbaugenossenschaften Gewinne in Millionenhöhe ausweisen und trotzdem das Nutzungsentgelt erhöhen? Warum?
Aktuell liegen beim Amtsgericht Berlin Mitte zwei Urteile die bestätigen, dass die Festlegungen der Satzung zum Nutzungsentgelt verschärfend zum Mietrecht des BGB wirken. Zwei Richter haben sich sehr intensiv mit den Argumenten des Vorstandes und der betroffenen Mitglieder befasst und sind zu diesem Ergebnis gekommen.
Der Vorstand der WBG hat seinen Anwalt gewechselt und ist in Berufung vor das Landgericht Berlin gezogen. Das wesentliche Argument, der Nutzungsvertrag wäre ein Vertrag mit einem Dritten und somit wirkt der Paragraph 27 (2) des Genossenschaftsgesetzes. Der Vorstand kann mit Dritten Verträge abschließen ohne Beschränkung. Das Landgericht ist dem gefolgt und stellt klar, dass das Genossenschaftsgesetz oder gar die Satzung hinsichtlich des Nutzungsvertrages keine Rolle spielen, es wirkt ausschließlich das Mietrecht gem. BGB.
Wie kann man zu solch einem Schluss kommen, wenn in den Nutzungsverträgen schon verankert ist:
“Das Recht zur Nutzung der Wohnung ist an die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft gebunden.”
Als Mitglied einer Genossenschaft muss man vollumfänglich die Satzung anerkennen.
Weiter ignoriert das Landgericht sogar das eigene Ministerium für Justiz, was folgende Aussage zum Identitätsprinzip definiert:
Genossenschaften zeichnet das sog. Identitätsprinzip aus. Dieses besagt, dass die Mitglieder gleichzeitig Mitträger der genossenschaftlichen Willensbildung, Geldgeber durch Einzahlungen auf die Geschäftsanteile sowie Geschäftspartner der Genossenschaft sind, beispielsweise als Kunden oder Kundinnen, Mieter und Mieterinnen bzw. Lieferanten oder Lieferantinnen. Diese Dreifachbeziehung der Mitglieder zur Genossenschaft erlaubt die Abgrenzung der Genossenschaft von anderen Unternehmensformen und verdeutlicht die zentrale Rolle der Mitglieder innerhalb einer Genossenschaft.
Mit den Urteilen des Landgerichtes wird das Genossenschaftsgesetz ad absurdum geführt, ebenso spielen Satzungen keine Rolle. Die Richterinnen des Landgerichtes waren nicht willens, auch wenn eine Richterin auf die erfolgte Gehörsrüge das abstreitet, den Argumenten des Beklagten zu folgen bzw. sogar zu zuhören.
Völlig unverständlich ist, dass die Richter des Amtsgerichtes ein umfangreiches und begründetes Urteil sprechen, das die beiden Richterinnen des Landgerichtes einfach in die Tonne treten und somit gesetzliche Grundlagen, wie das Genossenschaftsgesetz völlig falsch interpretieren.
Man muss unterstellen, dass diese Richterinnen den Richtern des Amtsgerichtes mal zeigen wollten, “wo es lang geht” oder es ist zu vermuten sie seien selber Vermieter von Wohnraum.
Die Genossenschaftsmitglieder von Wohnungsbaugenossenschaften sollten dringend die Inhalte ihrer Satzungen prüfen, sowie ihr Mitspracherecht zum Nutzungsentgelt und dessen Gestaltung.
Nicht umsonst hat Prof. Kessler im
Einführungsreferat auf der Fachtagung „Genossenschaften in der
solidarischen Stadt“ am 9. November 2018 in Dortmund
festgestellt, u.a.:
“Mitunter lässt auch das Interesse der Organwalter in Vorstand und Aufsichtsrat an der Einbindung und Motivation der Mitglieder zu wünschen übrig. So wird das genossenschaftliche Bewusstsein durch die im Vordergrund stehenden „unternehmerischen Belange“ verdrängt. Verliert die Genossenschaft, dass
ihr Eigene, wird sie zu einem Unternehmen, wie jedes andere auch, so beraubt sie sich den Grundlagen ihrer Existenz, wird, um es deutlich zu sagen: überflüssig. Als kooperativ strukturiertes Unternehmen setzt die Genossenschaft als Bedingung ihrer Möglichkeiten die Partizipationsbereitschaft aller voraus, der Organwalter in Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Mitglieder.”
Bernd Landgraf
Bitte meinen Beitrag zum Genossenschaftsgesetz von gestern hier einsetzen