Genossenschaften und Vertrauen

Stellen sie sich vor, sie haben eine Genossenschaft gegründet, um gemeinsam mit anderen die eigene Wirtschaftskraft zu stärken und eine soziale Form des Unternehmertums zu leben.

Stellen Sie sich vor, Sie haben Genossenschaftsanteile gezeichnet, um als Miteigentümer einer Bank Teil eines großen und Ganzen zu sein, das sich der Förderung ihrer und der Belange anderer Eigentümer verschrieben hat. 

Stellen Sie sich vor, Sie haben sich bei einer Wohnungsgenossenschaften eingeschrieben, um der dramatischen Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entgehen und Sicherheit zu haben. 

Alle diese Menschen vereint Vertrauen. Vertrauen darin, eine Gemeinschaft gefunden zu haben, der es nicht um Gewinnmaximierung geht, sondern um Solidarität. Eine Gemeinschaft, die von Transparenz und Mitbestimmung geprägt ist. Vertrauen darin, lückenlos informiert zu werden, Vertrauen darin, dass die gewählten Vertreter ihre Unabhängigkeit wahren, die Genossenschaftsorgane  Vergütungssolidarität leben und die dass die prüfenden Verbände das Beste für die angeschlossene Genossenschaft wollen und dass sich die Prüfungsverbände neben der Überprüfung der Zahlen auch als Kümmerer, Förderer und  Helfer verstehen, die Mitglieder und Eigentümer vor wirtschaftlichen, aber auch menschlichen Fehlentwicklungen schützen möchten. 

Es wäre so einfach, oder? Es wäre die gelebte Vision, basisdemokratisch das Beste aus den Umständen zu machen, welche die Großen dominieren lässt und die Kleinen, weniger Wohlhabenden, als Verlierer dastehen lässt. Chancen für alle, gemeinsam zu wirken, zu arbeiten und zu wohnen.

Und wie sieht die Realität aus? 

Durchwachsen. Es gibt Genossenschaften, welche die Erwartungen erfüllen können, die sich in kleinen oder großen Verbünden den Idealen verpflichtet fühlen und ihre Mitglieder wertschätzen und fördern, gemeinsam mit Prüfungsverbänden, welche ihre gesetzlich verankerten Pflichten um Hilfestellungen erweitern.

Aber es gibt auch eine Gegenseite: Strategische Fusionen ohne Rücksicht auf Mitgliederinteressen und mit minimaler Mitgliederbeteiligung, Fusionen zur Steigerung des Gehaltes der Funktionsträger bei gleichzeitiger Enteignung der Mitglieder, Tolerierung von Steuersparmodellen unter dem Deckmantel einer Genossenschaft, überhöhte Prüfungsgebühren ohne erkennbare Leistung, Einberufung von Sonderprüfungen, um kritische Genossenschaften in die Knie zu zwingen, Zwangsversteigerungen von Wohneigentum unter der Vorwand der Anpassung der Kreditrichtlinien, Herausdrängen eigenständig denkender, mitgliederfreundlicher Vorstandsmitglieder und vieles andere mehr. 

Warum? 

Sollte nicht ethisches Handeln bei einer Rechtsform, wie der Genossenschaft, welche die Mitgliederförderung im Unternehmenszweck hat, einen höheren Stellenwert als wirtschaftlicher Egoismus haben? Ist es nicht gerade Ziel von Genossenschaften – und damit auch von Genossenschaftsverbänden – Menschen, die Teil einer Genossenschaft werden, Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu geben und sie zu ermutigen, sich gemeinsam mit Vertrauten auf durch Konkurrenz und Machtkämpfe gekennzeichnete Märkte zu geben und das Bedürfnis nach lokalem Wirtschaften zu befriedigen?

Vielleicht sollte die Genossenschaftsbewegung ernsthaft darüber nachdenken, eine Institution zu gründen, sich sich mit Vertrauen beschäftigt. Die den Wert des Vertrauens und der gemeinsamen Arbeit in die Prüfungsverbände, in die Herzen der Vorstände und Aufsichtsräte, in die Herzen der Genossenschaftsmitglieder und nicht zuletzt in die Herzen der Schülerinnen und Schüler trägt, die in Zukunft die Genossenschaftsbewegung tragen werden. Denn nur Vertrauen kann dazu führen, den jeweils anderen mit seinen eigenen Interessen zu akzeptieren und Unstimmigkeiten, die nun einmal dazugehören, wenn sich Menschen zusammentun, argumentativ und zum Wohle aller zu beseitigen. 
Ein Gastbeitrag von Dr.phil. A.Neumann

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