Berlin, den 7.11.2025.Die Debatte um eine „Genossenschaft light“ kreist seit mehr als einem Jahrzehnt um die Frage, wie bürgerschaftliche und kleinteilige Kooperationen einfacher, schneller und kostengünstiger zu einer geeigneten Rechtsform gelangen können, ohne die Genossenschaftsidee und die spezifischen Mitgliederschutz preiszugeben. Gemeint sind deutliche Erleichterungen für eine neue Variante der eingetragenen Genossenschaft. Diese richtet sich an Mini-Genossenschaften und kleine Kooperativen wie Bürgergenossenschaften, Dorfläden, Pflege- und Wohnprojekte, Handwerkskooperationen oder Bürgerenergie-Initiativen.
Ausgangspunkt war die Vorstellung einer Kooperationsgesellschaft („KoopG“) als einer Art „UG der eG“. Dieser Ansatz sah eine haftungsbeschränkte, genossenschaftsnahe Rechtsform mit spürbaren Entlastungen im Prüfungswesen vor. Die angestrebte Befreiungen von Verbandszwang und Regelprüfungen sorgte trotz klar definierter Umsatz- und Ertragsschwellen für Unruhe in der Genossenschaftsorganisation die ihr Prüfungsmonopol vehement verteidigt. Der Wegfall von 3.000 bis 4.000 Klein- und Kleinstgenossenschaften führt in der Summe zwar nur zu Honorareinbußen von 7 bis 10 Millionen €. Ein lächerlicher Betrag, der anhand des hohen Betreuungaufwands der Kleingenossenschaften von den Verbänden leicht zu verschmerzen gewesen wäre. Aber hier ging es um das Prinzip. Das Aufweichen des genossenschaftlichen Prüfungsmonopol wird von kritischen Genossen immer wieder gerne thematisiert. Somit erreichte der Referentenentwurf seinerzeit nicht das Gesetzblatt, prägte aber bis heute das Nachdenken über passgenaue Erleichterungen.
Parallel dazu schaltete die Genossenschaftsrechts-Novelle 2006 wichtige Signale auf Grün. Mit der Erleichterung der Gründungsvorausetzungen, auch durch eine Reduzierung der Vorstandsmitglieder und eine Vereinfachungen der Prüfung für kleine Kooperativen waren die Weichen gestellt. In der Praxis wuchs dennoch das Bedürfnis nach weiteren, risikoadäquaten Entlastungen, weil Fixkosten und Zeitaufwand bei Kleingenossenschaften relativ stark ins Gewicht fallen und die Aufwendungen für Verbandsdienstleistungen relativ hoch waren. Wenn der Jahresüberschuss eines kleinen Dorfladens gerade mal ausreicht um die Prüfungskosten zu deckeln kommt Kritik auf.
Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) (*) aus dem Jahre 2015 ergab ein differenziertes Bild. Viele Genossenschaften bewerteten die Pflichtprüfung und die Begleitung durch ihre Verbände grundsätzlich positiv, sahen aber auch die im Vergleich zum eigenen Betriebsergebnis hohe finanzielle Belastungen, die zu Lasten der Mitgliederförderung gingen. Allerdings war die Stichprobe der Studie relativ klein und somit nur begrenzt aussagefähig. Das Verhältnis Prüfungsaufwand – gemeint sind die Kosten und der Nutzen der 53ziger Prüfung(**) – stimmen nicht immer. Ein konkreter Nutzen der Prüfungsleistungen war sehr häufig nicht zu erkennen. Die Zahlung einer „Stempelgebühr“ an den Prüfungsverband wird innerlich abgelehnt. Häufig werden die Prüfungsberichte ungelesen abgelegt.
Diese Spannungsfeld führte zu drei Lösungsrichtungen: erstens zu Vorschlägen für abgestufte, digitale „Micro-Prüfungen“ mit klaren Schwellen und automatischem Übergang in die volle Prüfung bei Wachstum oder erhöhtem Risiko; zweitens zur erneuten Diskussion einer eigenständigen „Light-Rechtsform“ nach dem Vorbild der KoopG; drittens zur pragmatischen Nutzung des wirtschaftlichen Vereins in seltenen Ausnahmefällen, wenn eG oder Kapitalgesellschaft im Einzelfall unzumutbar erscheinen. Letzteres gilt jedoch nicht als gleichwertiger Ersatz, sondern als eng begrenzte Auffanglösung.
Rechtspolitisch hat sich seit 2024/2025 eine Modernisierung des bestehenden Genossenschaftsrechts durchgesetzt, die vor allem digitale Verfahren, schnellere Registerabläufe, eindeutige Klarstellungen des Förderzweck die Mitgliederrechte stärkt. Eine eigenständige „KoopG“ steht weiterhin nicht im Gesetzentwurf. Damit liegt der Schwerpunkt gegenwärtig auf einer Optimierung der „normalen“ eG und nicht auf der Schaffung eines neuen Rechtsformtyps. Für Gründerinnen und Gründer kleiner Kooperativen bedeutet das: Die eG bleibt der primäre Anker für kooperative Teamgründungen, und der Hebel für „leicht“ liegt heute vor allem in klugem Satzungs- und Prozessdesign, in der frühen Wahl eines passenden Genoverbands sowie einer risikoadäquaten externen Prüfung im Sinne der Mitglieder.

Inhaltlich lassen sich die Argumente pro „Cooperative – Light“ auf die Senkung der Einstiegshürden, Verminderung der Bürokratie und eine eine stärkere Sichtbarkeit kooperativer Gründungen reduzieren. Die Gründungsberatung, oder besser der Coaching und Team Building Prozess, sollte bei der Auswahl der Rechtsform unbedingt auf die Gefahr einer „ideologischen oder idealistischen Verblendung“ hinweisen. Die Vor und Nachteile der Rechtsform sollten im Rahmen der Gründung offengelegt werden, die Rechtsform Genossenschaft ist mehr als ein Marketing-Gag. So ist der gesetzliche Anspruch auf eine angemessene Mitgliederförderung durch die genossenschaftliche Pflichtprüfung sicher zu stellen. Die Verbandsaufsicht stabilisiert die „Cooperative Governance“ und Transparenz gerade dort, wo unternehmerische Erfahrung begrenzt ist. Jede Entlastung der Kooperative muss daher die Proportionalität wahren und darf den Mitgliederschutz nicht unterlaufen. Kooperativen sind keine Vorstandsversorgungswerke, sondern Gemeinschaftsunternehmen.
In der Praxis sollte das Prüfungsverfahren für Kleinst-eG in Stufen organisiert werden, mit klaren Vorgaben und einfach messbaren Schwellen für Mitgliederzahl, Umsatz, Bilanzsumme und Fremdkapital. Werden die Schwellen überschritten steigen die Anforderungen an das Prüfungswesen. Zweitens braucht es standardisierte, digitale Coaching-Prozesse über seinen Zeitraum von 12 bis 24 Monaten. Drittens helfen transparente, gedeckelte Fixkostenpakete und Ratenmodelle gerade in der Anlaufphase, die Liquidität kleiner Geno-Projekte zu schützen. Viertens gehört zu jeder „Light“-Lösung ein digitaler Schutzmechanismen wie ein einfaches, standardisiertes Berichtswesen, digitale Kassen- und Kontenprüfung, niederschwellige und regelmäßige Kommunikation und ein fest definiertes Vorgehen bei Unregelmäßigkeiten und fehlender Transparenz.
Der Status quo lautet somit: Es gibt derzeit keine gesetzliche „Genossenschaft light“ im Sinne einer KoopG, aber es gibt eine modernisierte eG, die mit ihrer Ausgestaltung schon heute an die notwendigen Entlastungen heranreichen kann. Wer jetzt gründet, sollte die eG bewusst als Führungs- und Förderform einsetzen, die Verbandswahl früh und strategisch treffen, den Prüfungsumfang risikoorientiert verhandeln und bewährte Satzungsbausteine nutzen. Rechtspolitisch bleibt die Kernfrage offen, ob der Gesetzgeber künftig eine echte „Micro-Stufe“ innerhalb des Genossenschaftsgesetz verankert oder eine separate KoopG „Light-Variante“ zulässt.
In beiden Fällen entscheidet am Ende die Umsetzbarkeit und Akzeptanz der gesetzlichen Vorgaben:Transparenz, klare Leitplanken und Schwellen, digitale Prozesse, verlässlicher Mitgliederschutz und Mitgliederförderung, sowie nachvollziehbare, planbare Kosten. „Die Praxistauglichkeit einer „Genossenschaft light“ wird sich an der Glaubwürdigkeit und Akzeptanz messen lassen,“ so die Aussage von Gerd K. Schaumann, VDP Mitunternehmerverband e.V.
Weitere GenoNachrichten zur Gründung von Klein- oder Kleinstgenossenschaften sind hier
hinterlegt.
(*)Potenziale und Hemmnissen unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft. (2015) I C 4 – 02 08 15 – 41/13
(**) https://www.genonachrichten.de/2024/09/17/mehr-transparenz-im-genossenschaftlichem-pruefungswesen/




2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Die Wahl der Unternehmensrechtsform ist im Rahmen des Gründungsprozess die wichtigste Entscheidung, da diese die Spielregeln und Struktur des Unternehmens bestimmt. Sie beeinflusst die betrieblichen Abläufe und kann nur durch einen Rechtsformwechsel geheilt werden
Die betriebswirtschaftliche Literatur beschreibt die Rechtsformwahl als ein schlecht strukturiertes Entscheidungsproblem. Es geht also darum, die Kriterien, die die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform beeinflussen, zu analysieren. Zu diesen Kriterien zählen der Gründungsaufwand, die Kapitalausstattung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die Rechte und Pflichten der Gesellschafter, die Rechnungslegung und Besteuerung und Haftungsfragen.
Was ist in Deutschland anders, als in der gesamten EU? In anderen Ländern gibt es keine „Pflichtmitgliedschaften in Prüfungsverbänden“! Und das funktioniert wesentlich besser, wie die Anzahl der Gesamt-Genossenschaften aller EU-Staaten unschwer zeigt. Deutschland hat seit Jahren (nur!) etwa 8.000 Genossenschaften. Ein Vergleich zeigt: Deutschland steht damit – dramatisch deutlich – am Ende (!) aller EU-Länder.
Für Klein- und Kleinstgenossenschaften sind PFLICHT-Mitgliedschaften in Prüfungsverbänden – nicht nur, aber besonders – deutliche Gründungshindernisse. Da helfen auch staatliche „Gründungs-Zuschüsse“ wenig, wenn diese Zuschüsse von Verbänden wieder „neutralisiert“ werden.
Geno-Gründer in Deutschland sind nicht „unbeholfener“ als Geno-Gründer z.B. in Frankreich. Geno-Verbände – eindeutig JA -! Aber „PFLICHT-Leistungen, eindeutig NEIN! Der seit 2016 (!) bereits bestehende „Gesetz-Entwurf“ (KoopG) sollte nunmehr zeitnah diskutiert und realisiert werden. Unser Land benötigt neue, besonders viele kleinere Genos. … Eine Umfrage im Mitgliedsbereich des VDP zeigt, dass weit über 90% (!) aller Klein- und Kleinst-Genos sich gegen „PFLICHT-Mitgliedschaften“ in Prüfungsverbänden aussprechen. …