Gesetzgeber kontra Genossenschaften – Mindestgröße ratsam

Bernau, 24. Juli 2019 (geno). Gesetzgeber kontra Genossenschaften – ist eine Mindestgröße für Wohnungsgenossenschaften ratsam? Ein Beispiel widersinniger und genossenschaftsfeindlicher Gesetzgebung liefert das Nachrichtenportal focus-online am Mittwoch aus Bernau nördlich von Berlin. Dort ist 2016 die Genossenschaft „Gewawo Bernau“ Bankrott gegangen. Verursacher ist die Brandenburger Landesregierung und das Landesparlament, die es 2004 Wasserverbänden ermöglicht hatten, Eigentümer nachträglich für den Anschluss ihrer Grundstücke an die öffentliche Abwasserentsorgung zur Kasse zu bitten. Für einzelne Haushalte entstanden da schon schlagartig Forderungen von 1.300 Euro. Für Genossenschaften, die mehrere hundert Wohnungen besitzen, ergaben sich plötzlich hohe, unverzüglich zum Garaus führende Summen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorschrift aus Potsdam, nach der für vor dem Jahr 2000 verlegte Kanalanschlüsse Beiträge rückwirkend zu zahlen waren, zwar 2015 für rechtswidrig erklärt. Da war es für die „Gewowa Bernau“ allerdings schon zu spät. Der Pleitegeier hatte bereits zugeschnappt, zumal die Abwärtsspirale sich längst unumkehrbar gedreht hatte, die Rücklagen fehlten und der Wohnungsbestand Stück für Stück verkommen war. Als dann noch der Genossenschaftsvorstand erkrankte, war das Aus besiegelt.

Zum Glück der Bewohner sprang die Wohnungsgenossenschaft „Aufbau“ aus dem nahen Strausberg ein und übernahm alle 112 Wohnungen der „Gewawo Bernau“. Solche Rettungsanker sind eine Seltenheit. Deshalb rät WBG-Aufstand-Vorstand Carsta Göring: „Eine Genossenschaft sollte mindestens 300 Wohnungen haben, sonst ist das Kapital zu gering und Gesetzesänderungen können zu Einbußen führen, die sich nicht auffangen lassen.“

Focus-online charakterisiert den Zwist zwischen Politik und Genossenschaften sowie das Auftreten dubioser Genossenschaften als erhebliche Hindernisse, um den genossenschaftlichen Weg zur Lösung der vieldiskutierten Wohnungskrise reibungslos zu beschreiten. Das Portal erläutert weitere Vorteile von Wohnungsgenossenschaften: „Zudem ist der Aufbau einer Genossenschaft demokratisch und lädt zu Teilhabe und Engagement ein. Mitglieder können sich ehrenamtlich engagieren etwa als Organisatoren von Veranstaltungen oder Initiatoren von sozialen Projekten“. Soweit es keine Generalversammlung gibt, werden die Interessen der Genossenschaftsmitglieder von der Vertreterversammlung wahr genommen. Diese gewählten Vertreter setzen sich über eine Legislaturperiode von vier Jahren für die Interessen der Mitglieder ein und gestalteten die Geschicke der Genossenschaft aktiv mit. So funktioniert Genossenschaft. Gleichzeitig steigt auch die Identifikation der Menschen mit ihrem Quartier und der nachbarschaftliche Zusammenhalt werde gestärkt.
Wohnungsbaugenossenschaften sind auch nach Einschätzung von focus-online ein wesentlicher Teil zur Lösung der Wohnungskrise. Die Krise ist bereits da. Die Lösung auch, denn Wohnungsbaugenossenschaften existieren bereits seit mehr als 100 Jahren.

Anmerkungen der Redaktion: Was wenig bekannt ist. Die KfW Bank für Wiederaufbau finanziert Genossenschaftsanteile. Außerdem gibt es einen Unterschied zwischen der Miete und dem Nutzungsentgeld für Genossenschaftsmitglieder. Genossenschaften haben auch nichts mit Sozialismus zu tun.
Aber auch in Wohnungsgenossenschaften kann es schon mal Ärger geben. Hier ist es wichtig, dass die Genossenschaftsmitglieder ihre Rechte kennen und diese auch selbstbewusst wahrnehmen.

++ (fc/mgn/24.07.19 -131)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

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