30 dubiose Wohnungsgenossenschaften identifiziert

München, 1. April 2019 (geno). „Uns liegen Beschwerden zu über 30 Genossenschaften vor.“ Das erklärt Wolf Brandes von der hessischen Verbraucherzentrale in einem am Montag veröffentlichten Beitrag der Online-Ausgabe der „Münchner Abendzeitung“ (maz-online). Der Verbraucherschützer gehört zum dortigen Marktwächterteam, das sich dem mühseligen Kampf gegen den dubiosen Teil der an sich lobenswerten Branche der Wohnungsgenossenschaften verschrieben hat. Nach seiner Aussage häufen sich die Beschwerden über hohe Kosten, fragwürdige Vertriebsstrategien oder Probleme mit Kündigungen. Es treffe vor allem Anleger, die ohnehin nicht viel Geld haben.

Jüngstes Beispiel ist die nordbayrische Wohnungsgenossenschaft Nova Sedes, gegen die Verbraucherschützer jetzt vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth in erster Instanz erfolgreich waren. Die Genossenschaft hat Kündigungsfristen ignoriert, zwar die üblichen Eintrittsgelder kassiert, jedoch die Genossenschaftsanteile erst eineinhalb Jahre später geliefert. „Dadurch zahlten Verbraucher monatelang in die Genossenschaft ein, ohne Anteile zu erwerben und Rendite zu erwirtschaften“, so Brandes.

Auch die Stiftung Warentest hat die Branche im Fokus. Immer öfter würden Abzocker das gute Genossenschaftsimage nutzen, was durch Lücken im Genossenschaftsgesetz noch begünstigt werde, kritisiert Finanztesterin Ariane Lauenburg. Neben den Verbraucherschützern werden auch die Staatsanwaltschaften aktiv. In München ermitteln Staatsanwälte gegen zehn Beschuldigte wegen gewerbsmäßigem Betrug im Zusammenhang mit der Genossenschaft Grundwerte. Nach Angaben einer Justizsprecherin steht der Fall kurz vor dem Abschluss. In dem Beitrag wird auf das schon vom Landgericht Stuttgart gefällte Urteil, nach dem der Eventus-Gründer wegen Betrugs für sieben Jahre ins Gefängnis muss.

Nach den Worten von Brandes spielt sich Vieles in den dunklen Ecken der Branche in Grauzonen ab. Es werde aufgeschwätzt und übertölpelt. Nach Verkaufsgesprächen nähmen Berater Unterlagen wieder mit, wodurch die Beweislage schwierig wird. Wachsam sein, sei die oberste Devise. Die Alarmglocken sollten schlagen, wenn Genossenschaften hohe Renditen mit vermögenswirksamen Leistungen zusagen, jedoch Mitbestimmungsrechte nur eingeschränkt oder gar nicht gewähren, Förderzwecke nur schwammig beschrieben sind oder in Hotels und Einkaufszentren statt in Wohnraum investiert wird, ergänzt Stiftung Warentest.

Ein Einfallstor für Unseriöse sind auch die Ausnahmeregelungen für Genossenschaften. Sie sind von der Prospektpflicht befreit, also einem Dokument, das beispielsweise über Risiken aufklären muss. Geprüft werden sie in der Regel nicht von der deutschen Finanzaufsicht Bafin, sondern eigenen Prüfgesellschaften. Einige wenige von ihnen würden nicht so genau hinsehen, bedauern Brandes und Stiftung Warentest. Dort würden sich dann auch bevorzugt die schwarzen Schafe prüfen lassen. Im Fall von Eventus habe das Gericht auch den zuständigen Prüfverband scharf kritisiert.

Abschließend weist maz-online, das zum Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gehört, auf das zunehmende Echo in der Politik hin, das durch Ärgernisse mit Wohnungsgenossenschaften ausgelöst wird. So habe das Bundesland Brandenburg im Jahr 2018 dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Der soll für Genossenschaften zuständige Prüfverbände zwingen, über Missstände zu informieren und damit auf Probleme aufmerksam machen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Über den Gesetzentwurf sei zwar noch nicht entschieden, aber das Thema stehe zumindest auf der politischen Tagesordnung, begrüßen die Verbraucherschützer. ++ (wg/mgn/01.04.19 – 066)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

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2 Kommentare.

  • Oberrevisor
    9. April 2019 19:21

    Als Prüfer müsste Ihnen eigentlich bekannt sein, dass eine Prüfung immer nur den vergangenen Zeitraum prüfen kann. § 53 GenG bestimmt, dass kleine Genossenschaften bis 2 Millionen Bilanzsumme nur alle 2 Jahre, die anderen jedes Jahr geprüft werden müssen. Genügend Zeit also für unzuverlässige Gründer, die entgegen ihrem bei Gründung vorgelegten Businessplan nicht die Förderung der Mitglieder im Sinn haben, sondern ihre eigene Förderung. Und wer dazu veranlagt ist, kann in jeder Genossenschaft, ebenso wie in jeder weiteren Unternehmensform, andere Leute über den Tisch ziehen.
    Schuld an der Zunahme schwarzer Schafe im Genossenschaftswesen sind meiner Meinung nach nicht die kleinen Genossenschaftsverbände sondern viel mehr die großen kreditgenossenschaftlichen und wohnungsgenossenschaftlichen Verbände. Denn diese haben es mit ihrer Lobbyarbeit geschafft, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, einerseits die Rechtsform Genossenschaft weiter zu öffnen und andererseits die Rechtsform Genossenschaft weitgehend aus der Überwachung durch die Finanzaufsicht herauszuhalten. Die Früchte dieser Lobbyarbeit sind jetzt zu sehen.
    Doch auch die in Genossenschaften investierende Mitglieder sind nicht unschuldige Opfer. Gier frisst oft Hirn. Wer in einer Zeit der Null- bzw. Negativzinsen in Genossenschaften zigtausende Euro an Geschäftsguthaben zeichnet, ohne sich intensiv zu informieren, nur im Vertrauen auf das Versprechen des Vorstands hohe Dividenden zu bezahlen, der ist – mit Verlaub – selbst schuld.
    Aber es war schon immer einfacher, statt bei sich selbst, die Schuld bei anderen zu suchen.

  • „Wir legen alle Karten auf den Tisch“ steht auf der Seite des Mitherausgebers dieser Nachrichten MMW CoopGo zu lesen und „Wir sorgen für Transparenz …“. Dann klären Sie doch bitte darüber auf, wer der zuständige Prüfungsverband der oben genannten Nova Sedes eG ist, und warum laut Verbraucherzentrale 2/3 aller Verbraucherbeschwerden bei Genossenschaften auf die beiden Prüfungsverbände des MMW, den DEGP und den Potsdamer Prüfungsverband entfallen? Wieso untersagt die BaFin kürzlich eine Genotrust eG, gegründet von ihrem Fachbeirat? Ist das nicht alles ein bisschen scheinheilig?

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